Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sinken.
    Susanne drehte den Kopf, als sie plötzlich ein Knirschen hörte. Säulen wuchsen aus den Trümmern und standen wie Reihen von Soldaten da.
    Staub rieselte an ihnen herab.
    »Guter Trick!«, rief Lu-Tze Susanne ins Ohr, damit sie ihn trotz des Getöses verstand. »Er leitet Zeit in die Dreher! Rein theoretisch ist das möglich, aber wir haben es nie geschafft!«
    »Weißt du, was er da macht ?«, rief Susanne zurück.
    »Ja! Er holt zusätzliche Zeit aus Teilen der Geschichte, die zu weit vorn sind, und er fügt sie den Teilen hinzu, die zu weit nach hinten geraten sind!«
    »Klingt einfach!«
    »Es gibt da nur ein Problem!«
    343

    »Welches?«
    »Es lässt sich nicht bewerkstelligen! Weil es zu Verlusten kommt!« Lu-Tze schnippte mit den Fingern und versuchte, die Dynamik der Zeit
    einem Uneingeweihten zu erklären. »Reibung! Divergenz! Und vieles
    andere! Mit den Zauderern kann man Zeit nicht erschaffen, nur bewegen…«
    Plötzlich war Lobsang von hellblauem Licht umgeben. Es flackerte
    über die Tafel, zuckte dann durch die Luft und formte Bögen, die zu
    allen Zauderern führten. Das Glühen kroch über die Symbole zwischen
    den Säulen, haftete daran und bildete immer dichtere Schichten, wie
    Baumwolle, die aufgewickelt wurde.
    Lu-Tze betrachtete das Leuchten und die schrumpfenden Schatten
    zwischen den Lichtbahnen.
    »Ich meine, bisher ließ es sich nicht bewerkstelligen…«, fügte er hinzu.
    Die Zauderer erreichten ihre Arbeitsgeschwindigkeit und
    beschleunigten weiter. Das Licht bewirkte, dass sie sich immer schneller drehten. In einem konstanten, unendlichen Strom ergoss es sich durch die Höhle.
    Flammen leckten über den unteren Teil der nächsten Säule. Ihr Fuß
    glühte, und das vom Lager ausgehende Geräusch gesellte sich einem
    lauter werdenden Kreischen hinzu, das von gequältem Stein kündete.
    Lu-Tze schüttelte den Kopf. »Susanne… Wassereimer von den
    Brunnen! Unity… Du folgst ihr mit der Schmiere!«
    »Und was machst du?«, fragte Susanne. Sie griff nach zwei Eimern.
    »Ich mache mir verdammt große Sorgen, und das ist kein einfacher
    Job, glaub mir!«
    Dampf stieg auf, und mit ihm der Geruch von brennender Butter. Es
    gab nur noch Zeit dafür, zwischen den Brunnen und zischenden Lagern
    hin und her zu laufen. Und dann gab es nicht einmal mehr dafür Zeit.
    Die Zauderer drehten sich vor und zurück. Es mussten keine
    Verbindungen zwischen ihnen hergestellt werden. Die Kristallstäbe, die den Zusammenbruch überstanden hatten, hingen nutzlos an ihren
    Haken, als das Licht der Zeit Bögen zwischen den Säulen spannte und
    dabei rot oder blau leuchtete. Lu-Tze wusste: Selbst ausgebildete
    344

    Zauderer-Mönche wären von diesem Anblick so entsetzt gewesen, dass
    sie ihre Knoptas verloren hätten. Es sah nach einer außer Kontrolle geratenen Kaskade aus, aber irgendwo gab es einen lenkenden,
    steuernden Faktor, der ein Muster entstehen ließ. Lager heulten. Butter brodelte. Die unteren Bereiche mancher Dreher qualmten. Aber die
    Dinge hielten. Sie werden gehalten, dachte Lu-Tze.
    Er sah zu den Klappen hoch. Sie öffneten und schlossen sich,
    schickten Signalwellen aus rotem, blauem oder nicht markiertem Holz
    über die Höhlenwand. Hier und dort bildete sich grauer Dunst, als
    hölzerne Lager heiß liefen.
    Vergangenheit und Zukunft strömten durch die Luft. Der Kehrer
    spürte es. Lobsang auf dem Podium war in eine glühende Aura gehüllt.
    Er bewegte die Spulen gar nicht mehr. Was jetzt geschah, ereignete sich auf einem anderen Niveau, das keine primitiven Mechanismen mehr
    benötigte.
    Löwenbändiger, dachte Lu-Tze. Er beginnt mit Stühlen und Peitschen, aber eines Tages, wenn er wirklich gut ist, braucht er nur Augen und Stimme für die Schau. Aber nur wenn er wirklich gut ist. Und man weiß, dass er wirklich gut ist, wenn er den Käfig wieder verlässt…
    Lu-Tze war an den donnernden Säulen entlanggegangen und blieb
    stehen, als sich das Geräusch veränderte.
    Einer der größten Zauderer wurde langsamer. Der Kehrer
    beobachtete, wie er anhielt und sich nicht erneut in Bewegung setzte.
    Lu-Tze lief los und stürmte durch die Höhle, bis er Susanne und Unity fand. Drei weitere Zauderer hielten an, bevor er sie erreichte.
    »Er schafft es! Er schafft es! Kommt!«, rief er. Mit einem Ruck, der den Boden erzittern ließ, kam noch ein Zauderer zum Stillstand.
    Zusammen mit den beiden Frauen lief Lu-Tze zum Ende der Höhle,
    wo sich die kleineren Zauderer drehten. Die Welle der

Weitere Kostenlose Bücher