Der Zeitdieb
gespürt?«
»Ich weiß nicht. Es fühlte sich an, als… Für einen Moment war alles
falsch.«
»Ist so etwas schon einmal passiert?«
»Nein. Es fühlte sich so ähnlich an wie die Sache im Mandalasaal.«
»Dann sprich mit niemandem darüber. Heutzutage wissen die meisten
hohen Tiere nicht einmal, wie die Zylinder funktionieren. Niemand
kümmert sich mehr darum. Niemand schenkt Dingen Beachtung, die zu
gut funktionieren. Früher durfte man nur dann zu einem Mönch werden, wenn man sechs Monate im Zauderersaal damit verbracht hatte, zu
schmieren und zu reinigen. Und es hat uns gut getan! Heutzutage geht es immer um Gehorsam und kosmische Harmonie. Früher lernte man so
etwas im Saal. Man lernte, zur Seite zu springen, wenn jemand rief
›Nummer Sowieso entlädt sich!‹. Denn wenn man nicht rechtzeitig zur Seite sprang, bekam man ein paar Jahre dorthin, wo’s wehtut. Und man lernte, dass es keine bessere Harmonie gibt, als wenn sich alle Zauderer glatt drehen.«
Der Weg führte zum zentralen Gebäudekomplex des Klosters. Noch
immer eilten aufgeregte Mönche hin und her, als sie sich dem
Mandalasaal näherten.
»Glaubst du, du kannst es dir noch einmal ansehen?«, fragte Lu-Tze.
»Ja, Kehrer.«
»Na schön. Du musst es wissen.«
Dichtes Gedränge herrschte auf den Aussichtsbalkonen. Lu-Tze
bahnte sich einen Weg und machte dabei geschickten Gebrauch von
seinem Besen. Die ranghöchsten Mönche standen an der Brüstung.
Rinpo bemerkte ihn. »Ah, Kehrer«, sagte er. »Hat dich Staub
aufgehalten?«
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»Die Zauderer waren außer Kontrolle«, brummte Lu-Tze.
»Ja, aber der Abt hat dich gerufen«, sagte der Akolyth vorwurfsvoll.
»Früher einmal hätten alle, ohne Ausnahme, den Zauderersaal
aufgesucht, wenn die Gongs ertönten«, meinte Lu-Tze.
»Ja, aber…«
» BRRRRbrrrrbrrrr «, sagte der Abt, und Lobsang sah, dass er in einer Schlinge auf dem Rücken des Akolythen steckte. Eine
Rotkäppchenmütze schützte seinen Kopf vor der Kühle. »Lu-Tze hielt
immer viel von der praktischen Herangehensweise BRRRbrrr .« Er blies Milchschaum ins Ohr des Akolythen. »Ich bin froh, dass die
Angelegenheit geregelt ist, Lu-Tze.«
Der Kehrer verneigte sich, während der Abt begann, mit einem
Holzbär auf den Hinterkopf des Akolythen einzuschlagen.
»Die Geschichte hat sich wiederholt, Lu-Tze DummdummBBBRRRR …«
»Die gläserne Uhr?«
Einige Mönche schnappten nach Luft.
»Wie kannst du das wissen?«, fragte der Chefakolyth. »Bisher haben wir uns das entsprechende Mandalabild nicht noch einmal angesehen.«
»Es steht geschrieben ›Ich fühle da etwas im Urin‹«, sagte Lu-Tze.
»Auch damals gerieten die Zauderer auf diese Weise außer Kontrolle,
und zwar alle. Ein Zeitrutsch. Jemand baut erneut eine gläserne Uhr.«
»Das ist völlig ausgeschlossen«, erwiderte der Akolyth. »Wir haben alle Spuren beseitigt!«
»Ha! Es steht geschrieben ›Ich bin nicht so grün, obgleich ich wie ein Kohlkopf aussehe!‹«, sagte Lu-Tze scharf. »So etwas kann man nicht
vollkommen verschwinden lassen. Es gibt überall undichte Stellen, die zu Geschichten und Träumen führen, zu Bildern an Höhlenwänden und
was weiß ich…«
Lobsang sah zum Boden des Mandalasaals. Mönche drängten sich bei
einigen hohen Zylindern am gegenüberliegenden Ende des Saals
zusammen. Die Zylinder sahen wie Zauderer aus, aber nur ein kleiner
drehte sich langsam. Die anderen bewegten sich nicht und waren von
oben bis unten mit geschnitzten Symbolen versehen.
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Musterspeicher. Der Gedanke erschien einfach so in Lobsangs Kopf.
Dort werden die Muster des Mandalas aufbewahrt, so dass sie noch
einmal gezeigt werden können. Der kleine Zylinder zeichnet die Muster von heute auf, und die großen sind Langzeitspeicher.
Unter ihm kräuselte sich das Mandala. Farben und Teile von Mustern
glitten über die Oberfläche. Einer der fernen Mönche rief etwas, und der kleine Zylinder hielt an.
Die rollenden Sandkörner kamen zur Ruhe.
»So sah es vor zwanzig Minuten aus«, sagte Rinpo. »Siehst du den
blauweißen Fleck dort? Und dann dehnte er sich aus…«
»Ich weiß, was ich sehe«, erwiderte Lu-Tze grimmig. »Ich war dabei, als es passierte, erinnerst du dich? Hochwürden, sie sollen uns noch einmal die Sequenz der alten Gläsernen Uhr zeigen! Wir haben nicht viel Zeit!«
»Ich glaube, wir…«, begann der Akolyth. Ein Hieb mit einem
Gummiziegel unterbrach ihn.
»Willtöpfchenwilltöpfchen wenn Lu-Tze Recht hat,
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