Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
auch gar nicht anders. Manchmal kann man die Wahrheit nicht verstehen, wenn man sie in einem Stück bekommt.
    Du kennst Ankh-Morpork ziemlich gut, nicht wahr? Bist du jemals in
    der Oper gewesen?«
    »Um mein Geschick als Taschendieb auf die Probe zu stellen, Kehrer.«
    »Und hast du jemals darüber nachgedacht ? Auf der anderen Straßenseite 137

    gibt es ein kleines Theater. Es heißt ›Die Scheibe‹, glaube ich.«
    »O ja! Wir haben billige Eintrittskarten gekauft, uns auf den Boden
    gesetzt und Erdnüsse auf die Bühne geworfen.«
    »Und es hat dich nicht nachdenklich gestimmt? Eine große Oper, überall Plüsch, vergoldete Dinge und große Orchester. Und dann das kleine
    Theater mit einem Strohdach. Alles ist aus Holz, und es gibt keine Sitze, und ein Krummhorn dient als musikalische Begleitung.«
    Lobsang zuckte mit den Schultern. »Nein, eigentlich nicht. So sind die Dinge eben.«
    Lu-Tze lächelte fast. »Ist sehr flexibel, das menschliche Bewusstsein«, sagte er. »Kann sich an erstaunlich viele Dinge anpassen. In dieser
    Hinsicht leisten wir wirklich gute Arbeit…«
    »Lu-Tze?«
    Einer der jüngeren Akolythen wartete respektvoll.
    »Der Abt ist jetzt bereit, dich zu empfangen«, sagte er.
    »Na schön.« Der Kehrer stieß Lobsang an und flüsterte: »Wir gehen
    nach Ankh-Morpork, Junge.«
    »Was? Aber du hast doch darum gebeten, nach Überwald geschickt zu
    werden…«
    Lu-Tze zwinkerte. »Es steht geschrieben ›Man bekommt nicht das,
    worum man bittet‹. Es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, einen
    Dangdang zu erwürgen, als ihn mit Pling zu stopfen, Junge.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Wenn man genug Pling hat. Lass uns jetzt zum Abt gehen. Es dürfte bald Zeit werden, ihn zu füttern. Er ist inzwischen soweit, feste Nahrung zu sich zu nehmen, dem Himmel sei Dank dafür. Wenigstens
    braucht er keine Säugamme mehr. Es war so peinlich für ihn und die
    junge Frau. Man wusste gar nicht, wo man hinsehen sollte, und das galt auch für ihn. Ich meine, geistig ist er neunhundert Jahre alt…«
    »In ihm steckt sicher eine Menge Weisheit.«
    »Ja, er ist recht weise. Aber ich habe festgestellt, dass hohes Alter nicht unbedingt mit viel Weisheit einhergeht«, sagte Lu-Tze, als sie sich den Gemächern des Abts näherten. »Manche Leute werden mit
    138

    zunehmender Autorität dümmer. Was natürlich nicht für Seine
    Hochwürden gilt.«
    Der Abt saß auf seinem Hochstuhl und hatte gerade einen Löffel mit
    nahrhaftem Brei nach dem Chefakolythen geschleudert. Der an
    mehreren Stellen getroffene Mann lächelte wie jemand, dessen Job
    davon abhing, sich über den von der Stirn tropfenden Pastinaken- und Stachelbeerpapp zu freuen.
    Lobsang dachte nicht zum ersten Mal daran, dass die Attacken des
    Abts auf den Chefakolythen nicht allein von seinem momentanen
    Zustand bedingt waren. Der Akolyth gehörte zu jenen leicht
    unangenehmen Leuten, die in vernünftig denkenden Personen den
    Wunsch weckten, ihnen Pampf ins Haar zu gießen und sie mit einem
    Gummiyak zu schlagen. Und der Abt war alt genug, um auf sein inneres Kind zu hören.
    »Du hast mich rufen lassen, Hochwürden«, sagte Lu-Tze und verneigte
    sich.
    Der Abt entleerte seinen Napf auf die Kutte des Akolythen.
    »Wahahahahaha ah, ja, Lu-Tze. Wie alt bist du jetzt?«
    »Achthundert, Hochwürden. Aber das ist überhaupt kein Alter!«
    »Trotzdem, du hast viel Zeit in der Welt verbracht. Wolltest du dich nicht in den Ruhestand zurückziehen, um dich ganz deinen Gärten zu
    widmen?«
    »Ja, aber…«
    »Aber…« Der Abt lächelte engelhaft. »… wie ein altes Kriegsross sagst du ›Haha!‹, wenn du Trompeten hörst.«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte Lu-Tze. »Eigentlich klingen Trompeten
    nicht besonders lustig.«
    »Ich meine, du wünschst dir einen neuen Außeneinsatz. Aber du hast viele Jahre lang Mönche für den Einsatz in der Welt ausgebildet. Diese Herren hier?«
    Mehrere stämmige, muskulöse Mönche saßen auf der einen Seite des
    Raums. Sie waren für die Reise ausgerüstet, trugen eine
    zusammengerollte Schlafmatte auf dem Rücken und weite schwarze
    Kleidung. Sie nickten Lu-Tze beschämt zu, und ihre Augen über den
    139

    Halbmasken blickten verlegen.
    »Ich habe mir alle Mühe gegeben«, sagte Lu-Tze. »Die Ausbildung
    übernahmen natürlich andere Leute. Ich habe nur versucht, den
    angerichteten Schaden in Ordnung zu bringen. Mir ging es nie darum,
    Ninjas aus ihnen zu machen.« Er stieß Lobsang mit dem Ellenbogen an.
    »Dieser Begriff kommt

Weitere Kostenlose Bücher