Der Zeitdieb
auch gar nicht anders. Manchmal kann man die Wahrheit nicht verstehen, wenn man sie in einem Stück bekommt.
Du kennst Ankh-Morpork ziemlich gut, nicht wahr? Bist du jemals in
der Oper gewesen?«
»Um mein Geschick als Taschendieb auf die Probe zu stellen, Kehrer.«
»Und hast du jemals darüber nachgedacht ? Auf der anderen Straßenseite 137
gibt es ein kleines Theater. Es heißt ›Die Scheibe‹, glaube ich.«
»O ja! Wir haben billige Eintrittskarten gekauft, uns auf den Boden
gesetzt und Erdnüsse auf die Bühne geworfen.«
»Und es hat dich nicht nachdenklich gestimmt? Eine große Oper, überall Plüsch, vergoldete Dinge und große Orchester. Und dann das kleine
Theater mit einem Strohdach. Alles ist aus Holz, und es gibt keine Sitze, und ein Krummhorn dient als musikalische Begleitung.«
Lobsang zuckte mit den Schultern. »Nein, eigentlich nicht. So sind die Dinge eben.«
Lu-Tze lächelte fast. »Ist sehr flexibel, das menschliche Bewusstsein«, sagte er. »Kann sich an erstaunlich viele Dinge anpassen. In dieser
Hinsicht leisten wir wirklich gute Arbeit…«
»Lu-Tze?«
Einer der jüngeren Akolythen wartete respektvoll.
»Der Abt ist jetzt bereit, dich zu empfangen«, sagte er.
»Na schön.« Der Kehrer stieß Lobsang an und flüsterte: »Wir gehen
nach Ankh-Morpork, Junge.«
»Was? Aber du hast doch darum gebeten, nach Überwald geschickt zu
werden…«
Lu-Tze zwinkerte. »Es steht geschrieben ›Man bekommt nicht das,
worum man bittet‹. Es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, einen
Dangdang zu erwürgen, als ihn mit Pling zu stopfen, Junge.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Wenn man genug Pling hat. Lass uns jetzt zum Abt gehen. Es dürfte bald Zeit werden, ihn zu füttern. Er ist inzwischen soweit, feste Nahrung zu sich zu nehmen, dem Himmel sei Dank dafür. Wenigstens
braucht er keine Säugamme mehr. Es war so peinlich für ihn und die
junge Frau. Man wusste gar nicht, wo man hinsehen sollte, und das galt auch für ihn. Ich meine, geistig ist er neunhundert Jahre alt…«
»In ihm steckt sicher eine Menge Weisheit.«
»Ja, er ist recht weise. Aber ich habe festgestellt, dass hohes Alter nicht unbedingt mit viel Weisheit einhergeht«, sagte Lu-Tze, als sie sich den Gemächern des Abts näherten. »Manche Leute werden mit
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zunehmender Autorität dümmer. Was natürlich nicht für Seine
Hochwürden gilt.«
Der Abt saß auf seinem Hochstuhl und hatte gerade einen Löffel mit
nahrhaftem Brei nach dem Chefakolythen geschleudert. Der an
mehreren Stellen getroffene Mann lächelte wie jemand, dessen Job
davon abhing, sich über den von der Stirn tropfenden Pastinaken- und Stachelbeerpapp zu freuen.
Lobsang dachte nicht zum ersten Mal daran, dass die Attacken des
Abts auf den Chefakolythen nicht allein von seinem momentanen
Zustand bedingt waren. Der Akolyth gehörte zu jenen leicht
unangenehmen Leuten, die in vernünftig denkenden Personen den
Wunsch weckten, ihnen Pampf ins Haar zu gießen und sie mit einem
Gummiyak zu schlagen. Und der Abt war alt genug, um auf sein inneres Kind zu hören.
»Du hast mich rufen lassen, Hochwürden«, sagte Lu-Tze und verneigte
sich.
Der Abt entleerte seinen Napf auf die Kutte des Akolythen.
»Wahahahahaha ah, ja, Lu-Tze. Wie alt bist du jetzt?«
»Achthundert, Hochwürden. Aber das ist überhaupt kein Alter!«
»Trotzdem, du hast viel Zeit in der Welt verbracht. Wolltest du dich nicht in den Ruhestand zurückziehen, um dich ganz deinen Gärten zu
widmen?«
»Ja, aber…«
»Aber…« Der Abt lächelte engelhaft. »… wie ein altes Kriegsross sagst du ›Haha!‹, wenn du Trompeten hörst.«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Lu-Tze. »Eigentlich klingen Trompeten
nicht besonders lustig.«
»Ich meine, du wünschst dir einen neuen Außeneinsatz. Aber du hast viele Jahre lang Mönche für den Einsatz in der Welt ausgebildet. Diese Herren hier?«
Mehrere stämmige, muskulöse Mönche saßen auf der einen Seite des
Raums. Sie waren für die Reise ausgerüstet, trugen eine
zusammengerollte Schlafmatte auf dem Rücken und weite schwarze
Kleidung. Sie nickten Lu-Tze beschämt zu, und ihre Augen über den
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Halbmasken blickten verlegen.
»Ich habe mir alle Mühe gegeben«, sagte Lu-Tze. »Die Ausbildung
übernahmen natürlich andere Leute. Ich habe nur versucht, den
angerichteten Schaden in Ordnung zu bringen. Mir ging es nie darum,
Ninjas aus ihnen zu machen.« Er stieß Lobsang mit dem Ellenbogen an.
»Dieser Begriff kommt
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