Der Zeitenherrscher
zusammen.
„Du gehst bestimmt wieder einmal nicht mit uns nach Hause, oder?“ Tom hatte sich an seine Seite gestellt. „Bist bestimmt wieder auf dem Weg zur Schulbibliothek? Fleißig lesen!“
Simon sah verlegen auf seine Tasche. „Ich hab da noch was zu erledigen. Ich muss …“
„… etwas nachschlagen. Ist schon klar“, unterbrach ihn Tom scharf. „Ich muss mir unbedingt die Telefonnummer von der Bibliothek besorgen. Falls ich mal mit dir sprechen will.“
Simon sah auf. „Bist du sauer?“
Tom winkte nur ab. „Ach, lass mal. Schon in Ordnung. Wirst deine Gründe haben.“
Grübelnd blickte Simon seinem besten Freund hinterher, dann machte er sich auf den Weg in die Bibliothek.
Die Leiterin empfing ihn mit einem Lächeln: „Simon. Ich hab mich schon gefragt, wo du bleibst! Schau mal, ich hab dafür gesorgt, dass dein PC-Platz frei ist.“
„Super, vielen Dank!“ Simon ging zu dem Computertisch und stellte die Tasche neben seiner halb vollen Wasserflasche ab, die er gestern dort vergessen hatte. Auch sein Geschichts-Lexikon lag noch dort. Aufgeschlagen, so wie er es liegen gelassen hatte.
Simons Herz tat einen Sprung, als er auf das Buch blickte. Seine Hand strich über die Buchstaben. Jeden Tag las er die wenigen Zeilen dieses Berichtes. Eine Randnotiz nur, doch für Simon die wichtigste Information in diesem tausendseitigen Band.
Kaum hatte Simon auf dem Stuhl vor dem Computertisch Platz genommen, zog er auch schon das Lexikon zu sich und ließ die Finger über die Stelle wandern, die er schon so oft gelesen hatte und doch immer wieder lesen musste.
Neben einem gezeichneten Stadtplan der historischen Stadt Karthago war ein längerer Text über den Untergang dieser Stadt abgedruckt. Von Scipio, dem römischen Konsul, war dort dieRede, der 146 vor Christus mit seinen Truppen die Stadt zerstört hatte.
Am Ende dieses Artikels gab es eine Randbemerkung, die Simon inzwischen auswendig hätte aufsagen können. Wort für Wort. Selbst dann, wenn man ihn nachts um drei aus dem Schlaf geschüttelt und ihn danach gefragt hätte.
Von einer Legende um einen Jungen aus Karthago war dort die Rede: Von Basrar, der mit seinen 13 Jahren in der Nacht des Untergangs einige hundert Menschen der Stadt gerettet hatte. Er sei gewarnt worden, hieß es, und er hätte alles darangesetzt, seine Familie, Freunde und Nachbarn in der Nacht des Untergangs zu warnen, um mit ihnen zu flüchten.
„Wer dem Jungen erschienen sein soll, ist bis heute ein Rätsel“, hieß es in dem Lexikon-Artikel. Und weiter: „Wissenschaftler vermuten, dass es wohl niemals einen Menschen geben wird, der dieses Geheimnis lüften kann.“
Simon lächelte. Er wusste genau, worauf diese Rettung zurückzuführen war. Und er kannte auch denjenigen, der Basrar gewarnt hatte. Denn derjenige saß hier, an diesem Tisch. Den Finger auf dem Artikel.
Und dies alles war erst der Anfang. Bald schon würde noch mehr geschehen. Schon sehr bald. Denn das verrieten ihm seine Träume der letzten Tage.
Er schaltete den Monitor an seinem Computer-Platz ein und rief das Online-Lexikon auf, mit dem er am liebsten arbeitete. Hier hatte er bisher noch alle Antworten auf seine Fragen erhalten. Und es waren viele Fragen, die ihn beschäftigten.
Schon sausten seine Finger über die Tastatur. „Pestzeit“ gab er ein und „Europa“. Sofort erschienen die vertrauten Bilder,und Simon ließ den Mauszeiger über die ebenso vertrauten Artikel wandern. Er musste sich alles genau einprägen. Er musste vorbereitet sein. Jeden Moment könnte es so weit sein, dass …
Jemand stieß ihm in die Seite. Simon sah von seinem Monitor auf.
„Na?“
Tom war in der Bibliothek erschienen. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Simon. Mit dem Kopf wies er in Richtung Monitor. „Mal wieder auf der Suche?“
Simon zog die Schultern in die Höhe. „Na ja, du kennst mich ja.“
„Gib mir Bescheid, wenn du deine Doktorarbeit beendet hast, ja?“ Tom grinste. „Entschuldige wegen vorhin.“
„Nein, kein Problem“, wehrte Simon schnell ab. „Ich kann dich ja verstehen.“
„Aber ich dich nicht“, erwiderte Tom. „Seit fast einem Jahr sitzt du jede freie Minute an diesem Platz. Vergräbst dich in Büchern, starrst auf den Bildschirm und springst durch die Vergangenheit. Was hat das alles zu bedeuten?“
Simon seufzte. „Ich werde es dir erklären. Irgendwann. Aber jetzt kann ich einfach noch nicht darüber sprechen. Ich muss vorbereitet sein. Für eine
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