Der Zeitenherrscher
Schiff.
Dieses starre Warten zerrte an Simons Nerven. Er musste handeln.
Vorsichtig trat einen Schritt nach vorn, und im gleichen Moment reagierte der andere, indem er an seine Seite griff und ein Messer hervorzog, dessen Klinge im Mondlicht aufblitzte.
Simon erstarrte und spannte die Muskeln an. Sollte es zu einem Kampf kommen, war er bereit.
Endlich sprach der andere. Es war mehr ein Flüstern, doch Simon konnte jedes Wort verstehen: „Du bist keiner von uns“, raunte der Fremde.
„Von uns?“
Simon konnte deutlich sehen, wie sein Gegenüber die andere Hand an den Gürtel gleiten ließ und ein weiteres Messer hervorzog.
„Wie bist du hierhergekommen? Niemand hat dich eingeladen.“
„Ich …“ Die Bedrohlichkeit der Situation ließ Simon den Atem stocken. Er fühlte sich machtlos angesichts dieses bewaffnetenFremden. Zu gern hätte er gewusst, mit wem er es zu tun hatte.
„Wer bist du ?“, fragte Simon zurück.
Erneut sah der Fremde kurz in das Kajütfenster und wandte sich dann wieder Simon zu. „Geh wieder“, raunte er kaum hörbar aus der Dunkelheit heraus. „Verschwinde dahin, wo auch immer du hergekommen bist.“
Simon verlor die Geduld. Er musste etwas tun. Also trat er langsam auf den Fremden zu.
„Hör mal …“
Weiter kam er nicht. Was nun geschah, lief so schnell ab, dass Simon es in den wenigen Sekunden kaum registrieren konnte: Der Fremde schoss aus dem Schatten heraus und warf sich auf Simon, sodass dieser den Halt verlor und hintenüber auf das Schiffsdeck fiel. Trotz der beiden Messer in seinen Händen konnte der andere Simon packen, herumschleudern und ihn auf den Bauch drehen. Schon im nächsten Moment saß er auf Simons Rücken, eine der Klingen an Simons Hals.
„Du bist nicht gerade sehr gescheit, oder?“, fragte der Angreifer. „Ich hatte dich gebeten zu verschwinden. Was war daran unverständlich?“
Simon keuchte. Noch immer hatte er keinen Blick auf das Gesicht des Fremden werfen können. Dazu war alles viel zu schnell gegangen. Hätte er doch nur gewusst, mit wem er es überhaupt zu tun hatte!
„Ich war schon einmal hier. Ich bin …“, versuchte er eine Erklärung, doch sein Gegner fuhr ihm ins Wort. „Wenn ich Geschichten hören möchte, besuche ich meine Großmutter. Ich möchte, dass du gehst. Ich möchte …“ Die Klinge drückte sich nun fester an Simons Hals. „Ich möchte, dass du …“
„Halt!“ Ein Schrei ließ den Gegner
innehalten. „Lass ihn los!“
Simons Gesicht hellte sich auf. Er kannte die Stimme.
„Lass ihn los!“
Der Fremde zögerte noch, doch dann lockerte er tatsächlich seinen Griff und zog das Messer langsam zurück. Mit einem Satz sprang er von Simons Rücken herunter, und Simon konnte sich endlich aufrichten.
Vor ihm stand Neferti. Ihre Augen strahlten ihn an. Doch nur für eine Sekunde. Dann sprang sie auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. „Du bist wieder da!“
Im nächsten Moment lief Nin-Si zu Simon und nahm ihn in die Arme. „Endlich. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor!“
Hinter den beiden Mädchen erschienen jetzt auch Salomon und Moon. Hastig kletterten sie aus der Luke am Bug, ihrer Schiffskammer.
„Simon!“, rief Moon und suchte sich einen freien Platz am Körper seines Freundes, um ihn ebenfalls zu drücken.
„Na, jetzt lasst mir auch was übrig von ihm“, lachte Salomon. „Schön, dich zu sehen.“
„Ihr – ihr kennt ihn?“
Simon löste sich aus der Umarmung und wandte sich um. Endlich konnte er seinem Angreifer in die Augen sehen. Ein etwa 13-jähriger Junge stand vor ihm. Er hatte die gleiche Größe wie Simon. Seine Kleidung war tatsächlich völlig zerrissen, und unter seiner Stoffmütze schauten schulterlange braune Locken hervor. Die beiden Messer noch immer in seinen Händen, besah er sich mit wachsamen Augen die Szene. Wie ein lauerndes Tier stand er hinter den anderen, bereit zum Sprung und zum Angriff.
„Das ist Simon“, erklärte Nin-Si dem Fremden. „Wir haben dir doch von ihm erzählt.“
Der andere zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das soll Simon sein? Den habe ich mir anders vorgestellt. Stärker. Geschickter. Anders.“
„Danke!“, brummte Simon zurück. „Und wer bist du?“
Der Junge baute sich auf und streckte sich. „Mein Name ist Caspar.“
„Caspar? Ein seltener Name.“
„Nicht dort, wo ich herkomme.“
Sofort wichen alle Angst und Zurückhaltung von Simon, und er trat auf Caspar zu. „Bist du ebenfalls aus der Vergangenheit
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