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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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blickte den jungen Mann argwöhnisch an. »Vielleicht. Doch möglicherweise kommt eine Zeit, in der Geschichten nicht ausreichen, und die Wahrheiten – wie schwierig sie auch sein mögen – die Geschichten ersetzen müssen, die wir erzählen. Nur so können wir die Welt vielleicht noch retten. Es gab einmal eine Zeit, kurz nach dem Anbeginn aller Dinge, als außer den Menschen noch andere Völker auf der Welt existierten. Da waren jene, die Zwerge genannt wurden, und jene, die Elfen hießen, doch von den Geschlechtern, die auf der Erde wandelten, waren die Riesen und die Götter die bedeutendsten.«
    »Was meinst du mit ›Götter‹?«, fragte Fischmehl. »Gibt es denn mehr als einen?«
    »Glaubst du an einen Gott?«, fragte Wasily.
    »Vielleicht«, erwiderte Fischmehl. »Allerdings glaube ich von Zeit zu Zeit an einen anderen Gott, je nachdem was mir gerade sinnvoll erscheint.«
    »Wie soll das denn gehen?«
    »Nun«, erklärte Fisch, »ich habe an Allah geglaubt… bis ich jemanden verloren habe, der mir nahe stand. Dann habe ich an den Gott der Christen geglaubt, bis mir klar wurde, dass er mit der Welt nichts Besseres im Sinn hatte als Allah. Im Augenblick, denke ich, warte ich einfach ab, welcher Gott als nächstes mit einer guten Erklärung für sein Tun aufwartet.«
    »Pass auf, was du dir wünschst«, warnte ihn Wasily, »denn in diesem Fall könnte Sie tatsächlich etwas dazu zu sagen haben.«
    »Sie?«, fragte Fischmehl und runzelte die Stirn.
    »Dazu komme ich noch. Für den Augenblick genügt es festzuhalten, dass es einmal Wesen gegeben hat, die mächtiger waren als die Menschen, und darunter befanden sich jene, die man als Götter bezeichnen kann – zumindest im Vergleich zu den Menschen.«
    »Also gut.«
    »Für die Völker des Nordens war Odin der höchste Gott, und er galt ihnen als Schöpfer aller Dinge. Er war der Gott der Weisheit, der Dichtkunst und der Magie, und er opferte ein Auge für das Privileg, aus dem Mimirbrunnen, der Quelle der Weisheit, trinken zu dürfen. Odin war es, der die Kenntnis der Runen erwarb, jene heiligen Buchstaben, mit denen Wissen und Magie niedergeschrieben werden können. Dies geschah, als er – von einem Speer durchbohrt – neun Tage und Nächte lang an Yggdrasil hing, der gewaltigen Esche, die die Welten zusammenhält.«
    »War Odin derjenige, der dir einen Gefallen erwiesen und die Runen in deine Zunge geritzt hat?«, fragte Fischmehl.
    »Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal«, sagte Wasily. »Weil Odin und die Götter in Abgeschiedenheit von der Welt leben wollten, bauten sie eine Stadt namens Asgard, hoch über den Wohnstätten der Menschen. Odin rief die anderen Götter dazu auf, einen Rat zu bilden, um Asgard und Midgard – so nannten sie die Erde – zu regieren. Doch selbst Götter werden alt und müde, und so widerfuhr es nach langer, langer Zeit auch Odin und den Göttern von Asgard. Jahrhundertelang hatten die Götter gegen die Riesen einen Krieg geführt, dessen Ursachen über die gewaltigen Zeiträume in Vergessenheit geraten waren. Doch die Götter hatten versagt. Sie fürchteten, dass sie ihre Rolle als Beschützer der anderen Geschlechter – insbesondere der Menschen, die jünger waren als Zwerge und Elfen und sich gegen die Machenschaften und Überfälle der Riesen nicht so gut zur Wehr setzen konnten – nicht mehr länger würden erfüllen können. Also schufen sie einen Plan, um die Welt zu schützen. Der erste Teil des Plans beinhaltete die Erschaffung eines neuen Göttergeschlechts – Wesen, die sie ›Erlkönige‹ nannten. Odin ging in die Welt hinaus und machte sieben Männer ausfindig.«
    »Wie die sieben Prinzen in der Geschichte, die du mir erzählt hast, als wir uns kennen gelernt haben«, warf Fischmehl ein.
    Wasily hielt inne, seine Lippe zitterte. »Ja – wie die Prinzen in der Geschichte. Nur weil Märchen Märchen heißen, bedeutet das nicht, dass sie nicht einen Funken Wahrheit enthalten. Für jene, die mit Odin gingen, hatte dies Konsequenzen, deren Ausmaß damals noch nicht einmal zu erahnen war. Eine davon war die Gabe eines langen Lebens. Die Erlkönige und ihre Nachkommen waren beinahe unsterblich, denn die Berufung war nicht rückgängig zu machen - ein Blutschwur, der durch die Jahrhunderte weitergetragen wurde.«
    »Hmm«, grübelte Fisch, »lebst du deshalb schon so lange? Du gehörst zur Blutlinie, oder? Der Erlkönige?«
    »In gewisser Weise, ja.«
    »Worin bestand ihre Aufgabe? Was sollten die

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