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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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heißt, gute Nornen gestalten den Menschen ein gutes Schicksal und schlechte Nornen ein schlimmes. Ob das stimmt, kann ich allerdings nicht sagen.«
    »Wenn die Drei unter dem Baum das Schicksal der Welt bestimmen und andere das Los jedes einzelnen Menschen, wer entscheidet dann über das Schicksal der Nornen selbst?«, fragte Fischmehl.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Wasily, »obwohl ich jemanden im Verdacht habe, der es einmal gewusst haben könnte. Die drei Schwestern, die das Schicksal der Welt webten, taten genau das – sie sponnen es nach eigenem Gutdünken. Doch auf die Ereignisse selbst hatten sie keinen Einfluss, davon hatte nur die Eine Kenntnis – die Ewige, deren Name Idun war. Idun lebte in einer Höhle tief im Herzen der Welt, und sie war es, die das Geheimnis des ewigen Lebens bewahrte. Als die Erlkönige nach Asgard gebracht wurden, nahm sie jeden von ihnen für eine einzige Nacht zum Geliebten. Danach wurde jedem Erlkönig eine Norne zur Vermählung gegeben, um auf diese Weise den Fortbestand des Blutes zu sichern. In Iduns Höhle lag die wahre Macht der Götter - dort ritzte sie die Namen und Schicksale von allen, die jemals gelebt haben, in Pergamentrollen. Und nachdem sie die Runen zu Rate gezogen hatte, brachte sie die Rollen in die richtige Reihenfolge, um die Geschichte der Welt ihren vorbestimmten Lauf nehmen zu lassen. Davon ausgehend sponnen die drei Schwestern ihre Wandteppiche, und nach ihnen drehte sich die Welt. Am Ende jedes Zeitalters zog Idun ihre Runen zu Rate und ordnete die Pergamentrollen neu, und Zeitalter um Zeitalter webten die Nornen einen neuen Teppich. Wenn ein Teppich fertig war, wurde er vorsichtig abgenommen und an einem Ort aufbewahrt, wo man ihn jeder Zeit zu Rate ziehen konnte. Darin bestand die geheime Stärke der Götter.«
    »Wieso war es eine Stärke, ein Geschichtsbuch zur Verfügung zu haben?«
    »Weil die Wandteppiche die Geschichte des zukünftigen Zeitalters aufzeichneten, nicht die des gegenwärtigen. So verfügten Odin und die Götter über ein Vorherwissen aller Dinge in Himmel und Erde.«
    »Das ist unglaublich«, hauchte Fischmehl. »Aber du hast gesagt, das alles würde mit dem zweiten Grund für die Entstehung der Erlkönige zusammenhängen.«
    »Natürlich«, sagte Wasily. »Die Erlkönige sollten über die Geschichten der Nornen wachen, damit diese zu Rate gezogen werden konnten, wenn die Welt ernsthaft in Not geriet, und damit sie vor denen geschützt waren, die ihre Geheimnisse missbrauchen konnten. An dieser Stelle trat der große Fehler auf - ein Fehler, den niemand hätte voraussehen können.«
    »Nicht einmal Idun?«
    »Nein«, sagte Wasily, »denn Idun selbst hat bei der Entflechtung der Zeit eine Rolle gespielt, auch wenn jemand anderes den Fehler begangen hat. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zeit verliebte sich die Sibylle Idun in einen sterblichen Mann und machte ihm das zum Geschenk, was niemand sonst – nicht einmal Odin – zuteil geworden war. Sie zeigte ihm die Höhle mit den Pergamentrollen, wo die Geschichte der Zeit selbst entstand, und statt ihm eine weitere ihrer Töchter zur Vermählung zu geben, nahm sie ihn selbst zum Mann.«
    »Ich wusste es«, sagte Fischmehl. »Ich wusste, dass dieses Buhlen früher oder später zu Problemen führen würde.«
    »Ja«, stimmte Wasily schwer seufzend zu. »Und das ist noch milde ausgedrückt.«
    »Wer war er?«
    »Der jüngste der Erlkönige. Seine größte Schwäche war es, die so viel Schmerz verursacht hat und Odins Plan für immer zunichte gemacht hat.«
    »Was für eine Schwäche war das?«
    »Stolz«, sagte Wasily verdrießlich. »An Stolz wird die Welt zugrunde gehen.«
     

     
    »Zu jener Zeit wussten die Menschen von den Erlkönigen, und die Weisesten und Rechtschaffensten unter ihnen wurden ausgesandt, um mit den Erlkönigen gemeinsam Rat zu halten und die Geschicke der Welt zu regeln. Es gab gute Menschen, wie einen König namens Gylfi, der lediglich sein Wissen über die Welt mehren wollte, um seinem Volk besser dienen zu können. Natürlich gab es auch jene, deren Motive nicht so rein waren und diese wurden abgewiesen. Eines Tages kam ein Reisender an, der Kenntnis über das Wissen der Erlkönige selbst erlangen wollte. Wie es Tradition war, hielten drei der Erlkönige in Walhalla – dem Palast von Asgard – Hof, während die anderen bei den Wandteppichen der Nornen Wache hielten. Der Besucher, der sich selbst König Gard nannte, war weise, beredsam und raffiniert und

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