Der Zeitspieler
dem Gedanken befreunden konnten, daß eine Regierung durch Unterminierung gestürzt werden konnte. Es war in diesem fernen Jahrhundert anscheinend eine völlig neue Idee.
Sechs Wochen hielt die Luftflotte Cargill in Trab. Er wurde zu den verschiedensten entfernt liegenden Kommandostellen geflogen, um seinen Unterricht zu geben, und so konnte er sich ein Bild der Größe des Zwischnerlandes machen, das die Zwischner Amerika nannten. Diese neue Zivilisation reichte im Westen bis zu den Ausläufern der Rocky Mountains, im Norden bis zu etwa der früheren Südgrenze Montanas, im Osten in einer gekrümmten Linie vom unteren Ende des Michigansees bis nach Nordtexas im Süden. Obgleich es für die nur drei Millionen Menschen ein riesiges Gebiet war, bestand kein Zweifel, daß sie es fest in der Hand hielten.
Cargill konnte sich gut vorstellen, daß sie ihr Hoheitsgebiet allmählich über den ganzen Kontinent ausdehnen würden. Er erfuhr, daß weitsichtige Zwischner bereits ihre Ansprüche auf größere Landstriche registrieren ließen. Er entsann sich der landlosen Millionen des zwanzigsten Jahrhunderts, und es kam ihm zu Bewußtsein, daß die Fehler der Vergangenheit offenbar wiederholt würden. Wenn ich heil aus dieser Sache herauskomme, versprach er sich, werde ich dem ein Ende machen.
Er sah vieles, das sich zum Bessern ändern ließe – er wußte es, weil er die Endergebnisse aus seiner eigenen Zeit kannte. Ich muß später etwas dagegen tun, sagte er sich.
Mit jedem Tag, der vorüberging, wurde ihm deutlicher, daß er durch sein automatisches Wissen den Menschen dieser Zeit von unschätzbarem Wert sein konnte. Das stärkte sein Selbstvertrauen. Er verspürte einen ungeheuren Tatendrang, doch nie verließ ihn seine Vorsicht und Wachsamkeit. Er benutzte Worte wie Werkzeuge und war sich ständig der Gefahr bewußt, die sich jeden Augenblick für ihn ergeben mochte.
Diese Vorsicht zahlte sich aus, als er eines Abends Ann Reeces Haus betrat. Der dicke Läufer auf dem Korridor dämpfte seine Schritte. Er hörte eine fanatische Männerstimme aus dem Wohnzimmer: »Sobald er hier ist, werde ich euch beide töten!«
Cargill blieb abrupt stehen, als Ann mit zitternder Stimme erwiderte: »Sie sind ja wahnsinnig. Sie werden dafür hängen.«
»Maul halten!« zischte die Männerstimme. »Ich kenne Sie. Sie haben uns das alles überhaupt erst eingebrockt mit Ihrem Schatten Grannis. Ich habe erfahren, wie er vor einem Jahr zu Ihnen gekommen ist, und seitdem sind Sie sein Sprachrohr.«
»Die Volors waren bereits gebaut und die Pläne ausgearbeitet, als Grannis sich mit uns in Verbindung setzte«, protestierte Ann. »Ich meldete es der zuständigen Regierungsstelle und bin seither Grannis' Verbindungsmann.«
»Genau das habe ich ja gesagt!« Die Männerstimme klang äußerst zufrieden. »Wenn Sie und dieser neue Kerl erst tot sind, verläuft sich die ganze verdammte Sache im Sand.«
Das war alles, was Cargill hörte. Er rannte zur Haustür zurück. Er nahm an, daß der Attentäter durch den Garten gekommen war und vermutlich mit dem Rücken zu Verandatür stand, um die andere im Auge zu behalten. Er schlich über die Veranda. Eine der Türen stand offen. Er drückte sich daneben an die Wand und spähte ins Zimmer.
Der Eindringling sagte gerade: »Meine Eltern waren Schweber. Sie nahmen an der Schattenausbildung teil, bestanden sie aber nicht. Daraufhin ließen sie sich hier nieder, sie schufen sich ein schönes Heim, und ich wurde hier geboren, hatte eine glückliche Kindheit und genoß eine gute Erziehung. Ich heiratete eine wundervolle Frau und habe zwei liebe Kinder mit ihr. All das ermöglichten die Schatten.« Seine Stimme wurde schrill. »Sie und diese Verbrecher, die den Krieg planen, hassen die Schatten, weil Sie alle versagt haben. Und nun wollen Sie uns Ihre faulen Ideen aufzwingen. Sie wollten zerstören, was Sie nicht klug genug sind zu schaffen.«
Der Mann war breitschultrig und kräftig. Er hielt einen Schocker auf Ann Reece gerichtet.
Ann sagte scharf: »Sie sollten sich schämen! Ein erwachsener Mann, der sich wie ein verängstigtes Kind aufführt. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was aus Ihrer Frau und aus Ihren Kindern wird, wenn Sie jetzt etwas Unüberlegtes tun?« Ihre Stimme klang ruhig und überzeugend. Sie hatte offenbar ihren Mut wiedergefunden. »Ich gebe Ihnen noch eine Chance. Verschwinden Sie von hier, und ich werde Sie nicht melden. Schnell, entschließen Sie sich.«
»Sie werden
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