Der Zeitspieler
Schauen Sie in den Spiegel.«
Das Licht ging an. Cargill, der trotz der vorbereitenden Worte nicht ahnte, was ihn erwarten würde, trat vor den Spiegel.
Die verschwommene Gestalt eines Schattens blickte ihm entgegen. Er sah an sich hinunter. Er war tatsächlich ein Schatten.
Und nun spürte er auch den Unterschied. Sein Sehvermögen war verschärft. Er drehte sich wieder dem Spiegel zu. Er schien nun weniger substantiell, als wäre das Licht auch hinter ihm sichtbar. Im nächsten Augenblick schaute er schon durch ihn durch. Er stand auf einer Anhöhe und konnte unendlich weit sehen. Ein Punkt in der Ferne, jenseits der jetzt völlig unsichtbaren Pyramide, erregte seine Aufmerksamkeit. Er konzentrierte sich darauf und holte ihn ganz heran. Es war ein Habicht, der seine Kreise zog.
Er staunte über den teleskopischen Effekt seines neuen Sichtvermögens und widmete sich seiner näheren Umgebung. Als sein Blick auf den Boden fiel, schien dieser sich vor ihm aufzulösen, und er konnte den dunkelbraunen Grund darunter sehen, dann grauen Stein, danach rotbraune Erde, gefolgt von dunklem Schiefer. Was dann kam, war schwieriger zu erkennen, eine Art Lehm, schloß er. Weiter drang sein Blick nicht. Es gab demnach Tiefen, die selbst einem Schatten verborgen blieben.
»Jetzt geben wir Ihnen Ihre normale Gestalt zurück«, riß die Stimme ihn aus seinen Gedanken. »Beachten Sie jedoch, daß das Ausschlaggebende die Richtung war, die Ihre Beachtung fand. Das grundlegende Geheimnis ist Vibration und Vision.«
Der Spiegel zeigte jetzt Morton Cargill, wie er sich kannte.
»Haben Sie Fragen?« erkundigte sich die Stimme.
Cargill zögerte kurz. »Gibt es eine Theorie über die Schattenform? Wie erklären Sie sich, daß fester Stoff seine Substanz zu verlieren scheint?«
Die Stimme lachte sanft. »Ich könnte natürlich sagen, daß es Materie überhaupt nicht gibt. Diese Erkenntnis ist schon alt.«
Cargill nickte. Es amüsierte ihn, daß bereits die Wissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts darauf gestoßen waren, und diese Erkenntnis dann doch nicht beachteten. Er fragte sich, ob er jetzt der Welt näherkommen konnte, die er in seinem, er nannte es auch weiterhin Traum, gesehen hatte.
Die Stimme fuhr fort: »Die Wirklichkeit hier ist jedoch, daß wir vermutlich den Körper substantieller machen und nicht ihm die Stofflichkeit entziehen. Das liegt daran, daß wir die Energie einer äußeren Kraftquelle entziehen und sie so mit der eigenen Körperenergie abstimmen und dadurch zusätzliche Lebenskraft gewinnen. Wir haben das in allen Potenzen bis zum und einschließlich dem Tod durchexperimentiert. Der Tod kann natürlich durch eine Vermehrung genauso wie durch eine Verminderung der normalen Energie hervorgerufen werden.
Die Ergebnisse dieser Experimente waren faszinierend. Wenn wir das Energieniveau hoben, wurde die Versuchsperson zunehmend geistig stabiler. Dann trat eine eigenartige Umkehr ein, darauf wieder ein Aufstieg, danach ging es erneut abwärts, dann aufwärts, aber mit einem anderen Phänomen bei jedem Niveau. Dieser zyklische Wechsel von positiven und negativen Erscheinungen hielt bis zu dem Punkt an, da der Körper scheinbar an Substanz verlor. Auf den höheren Niveaus erlebten wir einige gefährliche Reaktionen. Wenn Sie sich einen Menschen von höchster Intelligenz vorstellen, der von Grund auf schlecht ist, dann können Sie sich in etwa ein Bild davon machen. Wir hatten Glück, als dieser Effekt sich das erstemal ergab. Danach waren wir darauf vorbereitet und trafen Vorsichtsmaßnahmen, trotzdem stand es manchmal auf Messers Schneide. Beantwortet das in etwa Ihre Frage?«
Cargill dachte nach. Nichts widersprach im Grund genommen den eigenartigen Vorstellungen seines ersten Traums. Nach seinem Wissen in diesem Traum war jedoch Energie von außen nicht erforderlich. Wenn das tatsächlich stimmte, hatten die Schatten die Methode noch nicht gefunden, dieses Stadium zu erreichen. Er schüttelte schließlich den Kopf und erklärte, daß er im Augenblick keine weiteren Fragen habe.
»Sehr schön. Von ein paar geringfügigen Konditionierungen abgesehen, können Sie jetzt die Schattenform ohne weiteres selbst erreichen, indem Sie sich auf diesen Wunsch konzentrieren. Die zweite Tür ist nun für Sie offen. Sie führt zu einer Reihe von Apartments. Die mit einem grünen Licht stehen leer, und Sie dürfen sich eines davon aussuchen. Ich werde mich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Das Apartment, das er sich
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