Der zerbrochene Himmel
Kalender tust du so geheimnisvoll?«
»Das hier ist ein besonderer Kalender.«
»Und wo hast du ihn gefunden?«
»Hab ich meinem Vater geklaut. Ist 'n Kalender, den verschenken die Barbiere.«
Er öffnete ihn und begann ihn gemeinsam mit Michilino anzusehen. Linker Hand standen die Monate mit allen Tagen, rechter Hand war eine nackte Frau dargestellt. Für jeden Monat gab es eine andere Frau. Alle Frauen waren schwarze Bissinierinnen, zeigten mal ihre Brüste, mal ihren Hintern, eine dagegen hatte die Beine auseinandergestellt, und zwischen den Härchen sah man das, was Michilino für eine Wunde gehalten hatte.
Bei diesem Foto verweilte Prestipino.
»Die Bissinierin hier macht mich wahnsinnig, bei der kriege ich einen Ständer«, sagte er, während er sich mit der Zunge den Rotz ableckte, der ihm auf die Lippen lief.
Er legte einen Finger zwischen die Beine der Schwarzen.
»Weißt du, wie das hier heißt?«
»Nein.«
»Das hier heißt Schlitz.«
Michilino überlegte, daß zwischen dem Schlitz der Schwarzen und dem der Witwe Sucato gar kein großer Unterschied bestand. Ein unangenehmer Gedanke schoß durch seinen Kopf: Hatte Mamà etwa auch einen Schlitz? Natürlich, wie könnte sie sonst Pipì machen?
»Jetzt hol ich mir einen runter. Mein Schwanz explodiert«, sagte Prestipino, knöpfte sich auf und holte ihn aus der Hose.
Michilino bemerkte, daß der von Prestipino viel weniger lang war als seiner. Prestipino nahm ihn in die Hand, und immer fest auf die Schwarze starrend, fing er an, die Faust auf und ab zu bewegen. Das also nannte man sich einen runterholen. Und das bedeutete, weil Gorgerino doch das gleiche auch mit ihm gemacht hatte, daß auch die Spartaner sich gerne einen runterholten.
Ganz plötzlich hielt Totò inne, der ein feines Gehör hatte, er horchte, steckte ihn wieder in die Hose und den Kalender wieder in die Jackentasche. Die Lehrerin kam herein.
»Machen wir weiter mit dem Unterricht. Ihr seid artig gewesen, habt keinen Lärm gemacht. Gute Jungen.«
An einem Montag sagte Mamà zu Michilino, daß er die ganze Woche lang nicht zum Unterricht gehen würde. Der Befehl war ergangen, daß sich sämtliche Baliilajungen und Kleine Italienerinnen jeden Tag um vier Uhr nach dem Mittagessen und bis zum kommenden faschistischen Samstag zum Sportplatz begeben müßten, wo Altiero Scarpin ihnen sagen würde, was sie zu tun hätten. Um halb fünf waren die Manipel und Zenturien gebildet, die Jungen auf der einen Seite, die Mädchen auf der anderen, geschart in Habt-acht-Stellung vor dem Doppelpodest, auf dem Scarpin stand, mit den Händen an den Schenkeln, und neben ihm eine Frau mittleren Alters im Sahara-Anzug. Hinter dem Podest befanden sich noch zwei junge Mädchen, ebenfalls in einem Sahara-Anzug. Eine hielt unter dem Arm ungefähr zehn große Zeichenblätter, die andere hatte vor sich eine Schachtel mit Kartons.
In der Mitte des Spielfelds war aus Holz eine Art Kastell zusammengebaut worden, das für Michilino ganz genau wie eines der Forts aussah, die er in einem Groschenheftchen gesehen hatte und die im Wilden Westen den Soldaten des Generals Custer als Schutz vor den Angriffen der Rothäute Sioux gedient hatten. Doch dieses Fort hier hatte keine Wände, es war wie ein Aufbau aus Balken und Brettern. Altiero Scarpin zeigte darauf und rühmte sich.
»Das, was ihr da seht«, sagte er, »soll die von den Abessiniern errichtete Abwehr in der von uns erstürmten Stadt Makallé sein. Am nächsten Samstag werden wir in Anwesenheit von Kameraden und Bürgern, die teilnehmen wollen, die Schlacht zur Eroberung von Makallé nachstellen. Und diese Darstellung werden wir dem Elite-Schwarzhemd Kamerad Cucurullo Ubaldo widmen, der in genau dieser Schlacht heldenhaft gestorben ist. Ich werde unter euch zehn Balillas auswählen, die die Rolle der Abessinier übernehmen, und zwanzig Balillas, die unsere tapferen Kämpfer darstellen werden. Alle anderen, Balillas ebenso wie Kleine Italienerinnen, machen Klangeffekte. Die Kameradin an meiner Seite ist die Zeichenlehrerin Colapresto Ersilia, die viele von euch kennen.«
Mit vorgewölbter Brust machte Lehrerin Colapresto den römischen Gruß.
»Die Kameradin hat mit Geschicklichkeit und Können die Kostüme gezeichnet, die sie euch zeigen wird.«
Die Lehrerin gab einem der beiden jungen Mädchen, die hinter dem Podest standen, ein Zeichen. Dieses trat nun vor und hielt ihr ein Zeichenblatt hin. Die Lehrerin
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