Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
vor sich sah, bekam Scarpin es mit der Angst zu tun und machte einen Schritt zurück. Alle schauten zu, als wären sie im Theater.
    »Was willst du eigentlich?«
    »Meinen Sohn mußt du da rausnehmen.«
    »Wo rausnehmen?«
      »Aus den Abessiniern! Ich will nicht, daß Rorò ein Abessinier wird.«
    »Das ist ein Befehl von mir!«
      »Mit deinen Befehlen wisch ich mir den Arsch ab! Willst du wissen, warum du meinen Sohn unter die Abessinier gesteckt hast? Weil du neidisch bist! Ich bin ein viel besserer Sportlehrer als du! Das wissen alle! Du bist doch nur ein aufgeblasener Furz.«
    Scarpin gab einen ohrenbetäubenden Pfiff.
    »Spallone!« rief er.
      Im Laufschritt kam ein hochgewachsener, stämmiger Manipelführer an, fast so wie Tortorici.
    »Vertreib dieses Subjekt hier mit Fußtritten!«
    Spallone sprang aufs Podest, und sofort lag er flach und halb bewußtlos auf dem Boden, weil Tortorici ihm die Faust unters Kinn gepflanzt hatte.
    »Rorò«, sagte Tortorici.
      Sein Sohn kam im Laufschritt an und lachte, weil es nach der Meinung seines Vaters keinen Mann gab, der ihn niederstrecken konnte.
    »Gehen wir. Vorher verabschiedest du dich noch von Scarpin.«
    Rorò machte den römischen Gruß.
      »Und jetzt gehen wir beide zum Politischen Sekretär und erzählen ihm die Geschichte. Und dann sehen wir, wem er recht gibt. Und ich bitte euch alle um Verzeihung für die Störung.«
      Eine halbe Stunde verging, bevor die Übungen weitergehen konnten.
      Am nächsten Tag erschien der Balilla Rorò Tortorici nicht: Er war entsprechend der Entscheidung des Politischen Sekretärs Sterlini, Michilinos Vater, »freigestellt« worden, der weder Scarpin noch Tortorici recht geben wollte. Palazzolo und Cachìa nahmen sich jeder zehn Balillas, Michilino kam in die von Cachìa kommandierte Gruppe, der ein spindeldürrer Dreißiger mit Oberlippenbart war. Cachìa ließ sie auf dem Bauch robben, einen Pfahl hinaufklimmen und ein Seil, sich für gut eine halbe Stunde am Querbalken des Fußballtors herunterhängen, durch einen brennenden Holzreifen springen, wie Michilino es die Löwen eines Reitervereins hatte machen sehen, übers Seitpferd springen, die hundert Meter mit und ohne Hürden laufen, sich am Stufenbarren überschlagen und den Weitsprung wie den Hochsprung durchführen. Bei diesem Spaziergang landeten die Balillas Armosino Corrado und Giannifero Lauretano im Krankenhaus mit mehreren Knochenbrüchen. Scarpin wollte sie nicht ersetzen. Denen, die zu Palazzolo gekommen waren, erging es besser. Palazzolo war ein ruhigerer Typ, er lehrte seine Balillas bestimmte geheime Weisheiten.
    »Mehr als alle Kraft zählt die List.«
      Und in der Tat war es so, daß, als die Stunde der Mann-gegenMann-Kämpfe mit den Bissiniern kam, die vom Stellvertretenden Manipelführer Rizzopinna trainiert worden waren – und der verstand keinen Spaß: In den Ertüchtigungsstunden hielt er immer einen Dolch zwischen den Zähnen, wie ein Pirat –, die Sache so endete, daß Cachìas Mannschaft verlor. Sie fingen sich von den wild gewordenen Bissiniern Schläge auf Kopf und Steißbein ein, obwohl sie die Schäfte ihre Gewehre einsetzten und es ihnen zeigten, wohingegen die Bissinier, die es mit Palazzolos Balillas zu tun bekamen, durch Beinchenstellen, wuterfüllte Blicke und Tritte in die Eier das Nachsehen hatten.
      In dieser Mann-gegen-Mann-Übung entdeckte Michilino, daß der Baliila Buttiglione Amedeo, der der dümmste von allen war und zu seiner Mannschaft gehörte, vom Bissinier Alfio Maraventano überwältigt worden war, der nun auf ihm saß, wie Mamà es in manchen Nächten bei Papà tat, und ihm die Nase zuhielt, damit er ersticken sollte. Michilino packte Alfio bei den Haaren und zog mit allen seinen Kräften daran. Da ließ Maraventano den Buttiglione weinend auf der Erde zurück und sprang auf. Einen Augenblick hielt Michilino inne, denn er war angesichts Alfios wie bei einem Verrückten weit aufgerissenen Augen entsetzt. Und der nutzte die Gelegenheit, ihm ins Gesicht zu spucken und ihm einen so kräftigen Stoß zu geben, daß Michilino mit dem Hintern auf der Erde landete. Maraventano beugte sich über ihn. Michilino schützte sich instinktiv mit den Armen.
      »Du bist ein noch größeres Arschloch und noch gehörnter als dein Vater«, sagte Maraventano ihm Auge in Auge.
    Er wandte sich von ihm ab und kämpfte weiter.
    Am Freitag, zur Stunde der Eröffnung, kamen die zehn Bissinier aus den Umkleideräumen mit

Weitere Kostenlose Bücher