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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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zusammenrollen.
      »Was hat er denn Schlimmes getan?« fragte Michilino, als sie auf der Straße waren.
      »Er hat Dinge getan, von denen Mussolini nicht will, daß man sie tut.«
    »Und Jesus auch nicht?«
    »Jesus auch nicht.«
    »Und was hat er getan?«
    »Unanständige Dinge.«
    »Und mit wem?«
      Papà sah ihn an, er begriff, daß Michilino unschuldig war wie das Gras.
      »Mit unanständigen Menschen, wie er einer ist. Hör mir zu, Michilino, jetzt, wo du nach Hause gehst, erzähl Mamà nichts über das, was zwischen mir und Gorgerino vorgefallen ist.«
    »Ich erzähle keine Lügenmärchen.«
    »Genau das, wenn man nämlich nichts sagt, ist das nicht das
    gleiche wie Lügenmärchen. Klar?«
    »Klar.«
      »Heute abend sage ich Mamà, daß du nicht mehr zu Gorgerino zum Unterricht gehst. Und basta. Du wirst mit Signora Pancucci, der Lehrerin, weiterlernen.«

    Drei Tage später kam Papà unerwartet nach dem Mittagessen nach Hause.
    »Ich muß mir die Uniform anziehen.«
    »Was ist denn los?« fragte Mamà.
    »Ich gehe zur Familie Cucurullo.«
    »Und was machst du da?«
      »Ich muß ihnen sagen, daß ihr Sohn gestorben ist. Ich habe ein Telegramm erhalten, gezeichnet von Mussolini. Willst du's sehen?«
      Er zog es aus der Tasche, hielt es seiner Frau hin und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Mamà öffnete es und las laut.
      an den politischen sekretaer gerlando sterlini stop unterrichten sie eltern von elite schwarzhemd cucurullo ubaldo dass ihr sohn in der schlacht von makalle heldenhaft gefallen ist stop faschistische gruesse Benito Mussolini.

    Sie seufzte.
    »Der Arme«, sagte sie.
      »Geben sie ihm jetzt eine Medaille?« fragte Michilino Papà, als er in Uniform herauskam.
    »Weiß ich nicht«, antwortete Papà. »Aber ich habe mir gedacht, ich lasse das Telegramm einrahmen und schenke es der Familie. Dann hängen sie's auf, und wenn sie Mussolinis Unterschrift sehen, finden sie Trost.«
      Und so war es, daß auch Marietta, als sie von Balduzzos Tod erfuhr, die Eroberung von Makallé nie mehr vergaß.

    Um vier Uhr nach dem Mittagessen am folgenden Samstag begleitete Mamà Michilino in Uniform zum Sportplatz. Papà hatte nicht gewollt, daß sein Sohn das Gewehr bei sich trug, das er ihm geschenkt hatte.
      »Das ist nicht vorschriftsmäßig, und du hast auch noch das Bajonett angespitzt. Man wird dir ein anderes geben, das hier behältst du zu Hause.«
      Sie kamen an, als der Sportplatz schon gepackt voll mit Balillajungen und Kleinen Italienerinnen war. Mamà brachte ihn nach vorne, zu einem in Uniform im Rang eines Tenente, der aufrecht, mit an den Schenkeln liegenden Händen, auf einem Doppelpodest stand und eine Trillerpfeife im Mund hielt.
      Mamà machte den römischen Gruß, der andere nahm Habtacht-Stellung ein und grüßte ebenfalls auf römische Art.
    »Ich bin gekommen, um …«
      »Ich weiß alles, Ihr Mann hat es mir bereits gesagt. Geht schon. Geht schon. Der Baliila bleibt hier.«
      Mamàs Blick verdüsterte sich ob der schlechten Erziehung dieses Mannes. Normalerweise waren die Männer bei ihr ganz Honig und Seim. Sie kehrte den Rücken und ging ohne Gruß.
    »Wie heißt du?« fragte der Mann.
    »Michelino Sterlini.«
    »Bist du der Sohn des Politischen Sekretärs?«
      Wieso mußte er beim Sprechen nur so schreien? Welchen Grund gab es dafür?
    »Ja.«
    »Das heißt Jawohl.«
    »Jawohl.«
    »Du hattest dich wohl verirrt, was?«
    Michilino antwortete nichts, er hatte nicht verstanden.
    »Ich werde dich rannehmen, mehr als die anderen!«
      Er pfiff viermal hintereinander in die Trillerpfeife, und zwar so stark, daß Michilinos Ohren trinnnnnn machten. Einer im Rang eines Korporals kam angelaufen, grüßte und nahm Haltung an.
    »Unterscharführer Virduzzo Cosimo zu Befehl!«
    »Reih diesen Baliila hier ein. Und zwar flott! Wegtreten!«
      »Wegtreten!« wiederholte Virduzzo Michilino, und Michilino fing an, neben ihm herzulaufen.
      Es sah so aus, als wären diese Faschisten wütende Schreihälse. Bei den Spartanern lachte man wenigstens manchmal.
      Nachdem Virduzzo seine Schar zweimal um den Platz hatte laufen lassen, befahl er das Rührt-euch und das freie Herumgehen. Dabei erfuhr Michilino von den anderen, daß er der vierten Schar zugeordnet worden war, daß Virduzzo ein Stinker und Spitzel war, daß der Mann auf dem Podest ein Sportlehrer vom Festland war, dessen Name Scarpin Altiero war und der die Stelle von Professore

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