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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Und dann fragte sie mit gerümpfter Nase und in die Luft schnuppernd: »Was ist das für ein Gestank?«
      »Ich glaube, ich hab' mich vollgeschissen«, sagte Michilino verschämt.

    Am faschistischen Samstag, der auf die Vorstellung der Eroberung von Makallé folgte, sprach Scarpin noch vor den Ertüchtigungsübungen zu den Balillas und Kleinen Italienerinnen und stand dabei wie gewöhnlich auf dem Doppelpodest. Er sagte, er habe einen Bericht über die bewundernswerte Vorstellung an Seine Exzellenz Renato Ricci gesandt, der die gesamte faschistische Jugend in Italien befehlige, und auch die Namen derer aufgelistet, die daran teilgenommen hatten, damit Seine Exzellenz wisse, wie tüchtig, mutig und vom faschistischen Glauben beseelt die Balillas und Kleinen Italienerinnen von Vigàta seien. Dann sagte er, daß die achtzehn Balillas, die wie Löwen in Makallé gekämpft hatten, zu Elite-Balillas befördert würden, was bedeutete, daß diese achtzehn besser waren als alle anderen. Er gab einem Manipelführer ein Zeichen, der auf das Podest stieg und in der Hand ein Bündel roter Bänder hielt. Das waren die Rangabzeichen für die Elite-Balillas, die aus zwei v-förmigen Bändern bestanden und zu Hause auf dem linken Ärmel angenäht werden mußten. Doch das war noch nicht alles, denn Scarpin fügte hinzu, daß diesen achtzehn Elite-Balillas außerdem die Erlaubnis erteilt würde, das geschenkte Gewehr mit nach Hause zu nehmen, ohne es in der Waffenkammer zu lassen, wie es dagegen alle anderen tun mußten. Michilino kehrte überaus zufrieden nach Hause zurück, nicht so sehr wegen des Rangabzeichens als vielmehr wegen der Muskete, die ein Bajonett ohne Schneide und ohne Spitze hatte; im Gegenteil, auf der Spitze befand sich sogar ein Kügelchen aus Gummi, damit man sich während der Übungen nicht weh tun konnte. Er brauchte also wirklich zwei Gewehre für sich, eins, um keinen Schaden zu verursachen, und das andere, nämlich seins, das Schaden anrichten konnte, und zwar großen Schaden. In diesem Augenblick beschloß er, daß er immer das Bereitschaftsgewehr, die Muskete, bei sich tragen würde, seins dagegen würde er bei allen in Vergessenheit geraten lassen, indem er es in dem kleinen Raum hinter der Eingangstür der Lehrerin Pancucci unter Verschluß hielt.

    Sie waren im Begriff, den Unterricht zu beenden, als es an die
    Tür klopfte. Signorina Pancucci ging hin und öffnete. Es war die Frau von Dottor Cusimano, die mit ihrem Gatten auf der ersten Etage wohnte. Sie hatten ein Telefon.
    »Signora, das Hospital bittet Sie anzurufen.«
      »Danke, ich komme sofort runter«, sagte die Lehrerin Pancucci, die ganz blaß wurde. Und dann, an die beiden Jungen gewandt: »Ich bitte euch, seid artig, ich bin gleich wieder da.«
      Kaum kehrte sie den Rücken, zog Totò den Kalender mit den nackten Bissinierinnen aus der Tasche, öffnete ihn und begann, die mit den auseinandergestellten Schenkeln anzustarren.
    »Ich werd noch wahnsinnig!« flüsterte er und berührte sich.
      Dann fragte er Michilino: »Sollen wir unanständige Dinge treiben?«
    »Wir beide?«
    »Ja.«
      Im ersten Moment wollte Michilino nein sagen. Unanständige Dinge waren Sünde, der liebe Herr Jesus würde darunter leiden, daran bestand kein Zweifel. Doch Michilino wollte unbedingt verstehen, was unanständige Dinge waren, wie man sie machte, worin sie bestanden und warum es den Leuten Spaß machte, unanständige Dinge zu treiben, wenn es doch Sünde war. Er konnte zunächst einfach ja sagen, und sich dann später zurückziehen und sich weigern, weiterzumachen.
    »Einverstanden.«
      »Steh auf und hol den Lümmel raus«, befahl Prestipino lachend und wischte sich den Rotz mit dem Ärmel ab.
      Michilino tat, was Totò wollte, während sein Herz tobte. Endlich würde er unanständige Dinge kennenlernen.
      »Heilige Muttergottes!« sagte Prestipino und riß die Augen weit auf. »Nein, nein!«
    War es denn möglich, daß alle, Große wie Kleine, genau die gleiche Reaktion zeigten, sobald sie sein Vögelchen sahen? »Wieso nein?«
      »Wenn der schon so ist, wenn er noch schlaff ist, dann stell dir mal vor, wie er wird, wenn er steif ist! Nein, mit so einem Schwanz mach ich's nicht.«
      Michilino steckte das Vögelchen enttäuscht wieder in die Hose. Die Lehrerin kam herein, und ihre Lippen zitterten.
      »Adilaidas Zustand hat sich verschlimmert«, sagte sie. »Morgen ist kein Unterricht, und jetzt geht ihr nach Hause, ich bin

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