Der zerbrochene Himmel
nächsten Tage zusammen hingehn.«
Nach dem Ende des Unterrichts, überlegte sich Michilino auf der Treppe, wie er das Eisentürchen aufmachen könnte, ohne daß Prestipino sehen würde, daß da drinnen zwei Gewehre standen. Es gelang ihm, er nahm das Bereitschaftsgewehr und ging ein Stück mit seinem Gefährten.
Am folgenden Freitag hatten sie gerade mit dem Unterricht begonnen, als die Gattin von Dottor Cusimano kam und der Lehrerin sagte, daß da ein Anruf für sie vom Hospital wäre. Signorina Pancucci wurde leichenblaß, stürzte hinunter und rief: »Maria Santa! Maria Santa!«
»Adilaida muß wohl von uns gegangen sein«, kommentierte Prestipino und bewegte den Zeige- und den Mittelfinger der rechten Hand kreisförmig in der Luft.
Er zog den Kalender heraus und begann, die übliche nackte Negerin anzustarren. Nach einer Weile fragte er: »Wie ist es, hast du deine Leute gefragt, ob sie dich alleine ins Filmtheater gehen lassen?«
»Nein, hab' ich vergessen.«
»Tu's. Denn dann kann es nämlich sein, daß sich, während du dir den Film ansiehst, der Buchhalter Galluzzo neben dich setzt.«
»Und wer ist der Buchhalter Galluzzo?«
Prestipino fing an zu lachen, und der Rotz lief bis zum Kinn. Er schüttelte die rechte Hand in der Luft, was bedeutete: fabelhafte Dinge, die man gar nicht mit Worten sagen kann.
»Erst lernst du ihn kennen, dann reden wir darüber.«
Nun kam statt Signorina Pancucci die Gattin von Dottor Cusimano herein.
»Adilaida, die arme, ist gestorben«, sagte sie. »Die Lehrerin fühlt sich im Augenblick nicht imstande, die Treppe hochzusteigen. Sie sagt, ihr sollt nach Hause gehen, der Unterricht wird nach der Beerdigung wieder aufgenommen.«
»Und wann ist die Beerdigung?« fragte Prestipino.
»Ich glaube übermorgen, Sonntag. Jedenfalls, wenn ihr euch morgen vormittag blicken laßt, werden die Lehrerin oder ich euch ganz sicher etwas sagen können.«
Michilino nahm das Bereitschaftsgewehr wieder an sich. Auf der Straße fing Prestipino an zu fluchen und zu murren.
»Was ist los mit dir?«
»Jetzt sieh dir nur an, was für ein Unglück! Adilaida stirbt am Freitag nachmittag!«
»Wieso ist das ein Unglück?«
»Weil wir morgen, wo doch der faschistische Samstag ist, Scarpin haben, und Sonntag ist ein Ruhetag. Wenn Adilaida statt dessen, sagen wir, Dienstag gestorben wäre, hätten wir zwei Tage ohne Unterricht herausgeschlagen!«
Sobald er Prestipino losgeworden war, ging Michilino auf seinen Wachposten an dem gewohnten Hauseingang. Es war eine Gasse ohne irgendein Geschäft, ausgenommen dem von Maraventano. Der Schneider nähte, Alfio war nicht zu entdecken. Michilino sah in der einen Stunde, die er dort im Verborgenen stand, lediglich zwei Menschen vorbeigehen, eine alte Frau und einen etwa Sechzigjährigen, der so besoffen war, daß er sich an die Mauern lehnen mußte, um nicht auf die Erde zu fallen. Alfio tauchte erst auf der Straße auf, als Michilinos Zeit bereits um war. Aber Michilino wollte noch ein Weilchen warten. Alfio brachte die Sachen, die er eingekauft hatte, ins andere Zimmer, kehrte dann zurück und setzte sich vor den Vater mit Heft und Tintenfaß. Wie immer kehrte er den Rücken der Straße zu.
»Darf ich alleine ins Filmtheater gehen?« fragte Michilino.
»Was ist das denn für eine Neuheit?« fragte Mamà alarmiert zurück.
»Werde doch nicht gleich nervös«, schaltete sich Papà ein. »Er fragt uns um Erlaubnis, ins Filmtheater zu dürfen und nicht ins Bordell!«
»Was ist das Bordell?« fragte Michilino.
Mamà wurde wütend, sie warf die Serviette ungehalten auf den Tisch und stand auf: »Vater und Sohn, ihr habt dafür gesorgt, daß mir der Appetit vergangen ist!«
Und sie ging in die Küche.
»Ernestí, du übertreibst! Verhalte dich nicht so, komm zurück an den Tisch.«
»Nein!« antwortete Mamà und schlug die Küchentür zu.
»Was ist ein Bordell?«
»Michilì, lassen wir das mit dem Bordell. Ins Filmtheater darfst du alleine, ich überzeuge Mamà schon, aber vorher sagst du uns, welchen Film du dir ansehen willst, und wir sagen dir, ob ja oder nein. Wann willst du gehen?«
»Irgendwann dieser Tage.«
Zuerst mußte er Alfio Maraventano umbringen, im Moment konnte er mit dem Filmtheater keine Zeit verlieren.
Mamà kam aus der Küche zurück, ihr Gesicht war verdüstert, sie mußte das Gespräch zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn mitangehört haben, obwohl die Tür
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