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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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willst du auch noch ein Geldstück?«
      »Weil man ein Messer weder verschenkt noch eintauscht, man muß es immer bezahlen, weil sonst der, der es verschenkt oder eingetauscht hat, mit eben demselben Messer abgestochen wird.«
      »Einverstanden, morgen bringe ich dir den Kreisel und das Geldstück. Doch nur unter einer Bedingung.«
    »Welcher?«
    »Das Taschenmesser gibst du mir jetzt.«
    Prestipino sah ihn zweifelnd an.
      »Hältst du mich für blöd? Du steckst dir das Messer in die Tasche, und morgen bringst du mir einen Scheiß.«
      »Ich schwör's«, sagte Michilino und küßte den Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand.
    Das Filmtheater Mezzano zeigte dreimal denselben Film. In die Vorstellung um halb fünf gingen Rentner und Alte, in die um halb sieben Kinder und Jugendliche, in die um halb neun Familien in ihrer Gesamtheit oder einfach auch nur Erwachsene. Weil man diesen Film von Tom Mix im Filmtheater Mezzana schon in der Woche zuvor gezeigt hatte, befanden sich im Saal höchstens an die zehn Zuschauer. Michilino setzte sich in eine der hintersten Reihen, wo er ganz alleine war. Er mochte sich nicht in die ersten Reihen setzen, das hatte er schon ausprobiert, als er mit Papà und Mamà ins Filmtheater gegangen war. Nachdem er nämlich eine Weile auf die Leinwand geschaut hatte, flirrten seine Augen. Je weiter er sich nach hinten setzte, desto besser war es. Vor dem Film wurde die Tönende Wochenschau gezeigt, in der man den Krieg in Bissinien sah, unsere Soldaten, die die Caproni-Flugzeuge begrüßten, die über ihnen herflogen, um sie zu beschützen, und man sah auch Bissinier, die gefangengenommen worden waren. Am Ende der Wochenschau ging das Licht an. Ein Mann kam vorbei, der Limonaden, Schokoladenriegel und Bonbons verkaufte, aber auch Erdnüsse und Kürbiskerne.
      Michilino kaufte nichts, in der Tasche hatte er noch zwei Soldi, dachte aber, er sollte sie lieber sparen und zu den anderen in die Spardose geben, in der mindestens, allermindestens schon fünf Lire sein mußten. Das Licht ging aus, und der Film begann. In der ersten Reihe fingen zwei Jungen an sich zu streiten, erst mit Worten, dann wurden sie handgreiflich und schlugen sich mit Ohrfeigen und Püffen. Man verstand nichts vom Beginn des Films. Endlich kam Signor Mezzana hereingelaufen, der die beiden Jungen auseinanderbrachte und mit Tritten in den Hintern aus dem Saal beförderte. Nach einer Weile setzte sich neben Michilino ein Mann. Während der ganzen ersten Hälfte rauchte er eine Zigarette nach der anderen. Als die Pause kam, sah der Mann Michilino an, und ebenso sah Michilino ihn an.
    »Ich heiße Galluzzo«, sagte der Mann.
      Er war der, von dem Totò Prestipino gesprochen hatte, ein dicker Vierzigjähriger, der scheinbar keinen Bart hatte.
    »Der Buchhalter?«
      »Ja. Also, dann hat man dir schon von mir erzählt. Willst du, daß ich dir was kaufe?« fragte er und gab dem Verkäufer ein Zeichen.
    »Nein, danke«, sagte Michilino.
    Der Buchhalter nahm dagegen eine Limonade, steckte einen Finger in den Flaschenhals, drückte die gläserne Kugel runter, die als Verschluß diente, und kippte sie sich hinein, und als der Film fortgesetzt wurde, stellte er sie auf den Boden. Und sofort zündete er sich eine Zigarette an. Nach einer Weile beugte er sich zu Michilino und sagte ihm ins Ohr: »Tust du mir einen Gefallen?«
    »Ja.«
    »Kannst du das Gewehr gegen den Platz neben dir lehnen?«
      »Ja«, sagte Michilino, und obwohl er nicht verstand, wieso das Gewehr den Buchhalter stören könnte, das er doch mit dem Kolben auf dem Boden und dem Lauf zwischen seinen Beinen stehen hatte.
      Als er es neben sich gestellt hatte, streckte Galluzzo ganz langsam die rechte Hand aus und legte sie auf das Vögelchen. Sofort zog er sie wieder zurück, so, als hätte er sich verbrannt.
    »Was hast du da in der Tasche?«
    »Nichts hab' ich da«, sagte Michilino verletzt.
      Wieso stellten ihm alle immer die gleiche Frage? Der Buchhalter blickte ihn an, er wirkte überrascht.
    »Meinst du das wirklich?«
      »Ich habe gesagt, in der Tasche habe ich nichts!« sagte Michilino verwirrt.
      Die Hand des Buchhalters legte sich wieder an die Stelle, streichelte das Vögelchen in seiner ganzen Länge, streichelte es weiter und ging dabei langsam, ganz langsam vor und zurück. Hin und wieder hielt er inne und drückte fest zu, danach streichelte er weiter. Mal sehen, ob der Buchhalter tun wollte, was Totò Prestipino auch tun

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