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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wollte, es sich dann aber anders überlegt hatte.
      »Wollen Sie denn unanständige Dinge mit mir machen?« fragte Michilino.
      Der Buchhalter sah ihn verblüfft an, während seine Hand innehielt. Unterdessen verfolgte Tom Mix zu Pferd in der Prärie einen Banditen, der ein schönes Mädchen geraubt hatte, das weinte und schrie, während der Bandit lachte und mit dem Revolver auf Tom Mix schoß.
    »Sicher«, sagte der Buchhalter. »Hast du das noch nicht
    begriffen? Knöpf dir die Hose auf.«
    Und er hob seinen Arm und legte ihn auf die Lehne.
      Michilino wurde rot, er war wütend, und diese Wut brachte seine Hand zum Zittern. Ja, was denn? Konnte ein Junge denn nicht in aller Ruhe in einem Filmtheater sitzen? Mußte denn gleich einer kommen und unanständige Dinge machen? Und dieser elende Hund von Buchhalter dachte, er, Michilino, würde gehorchen? Wußte der Buchhalter denn nicht, daß er ein Baliila war, ein Soldat des Duce, und in einigen Tagen auch noch ein Soldat Christi werden würde?
      »Also? Entschließt du dich? Was ist denn, schämst du dich? Was ist denn, das erste Mal? Willst du 'ne halbe Lira, dann kaufst du dir, was du magst? Na? Knöpfst du dich auf? Bitte, knöpfst du dich auf? Holst du ihn raus? Na?«
      Galluzzo rauchte und redete, er schien von einer Hast besessen zu sein, von einer Erregung, die ihm keine Ruhe ließ. Michilino dachte daran, das Gewehr zu nehmen und ihm Bajonettstiche zu verpassen, dann erinnerte er sich, daß er ja nur das Dienstgewehr bei sich hatte, das weder eine Spitze noch eine Klinge hatte. Die einzige Möglichkeit war, den Platz zu wechseln. Gerade wollte er es tun, als er sich sagte, daß dann auch der Mann den Platz wechseln und sich wieder neben ihn setzen würde. Nein, nichts, die einzige Lösung war, das Filmtheater zu verlassen, nach Hause zu gehen und alles Papà zu erzählen, der dann schon daran denken würde, diesem Stinker, diesem verdammten, eine Lektion zu erteilen. Er streckte die Hand aus, ergriff das Gewehr und stand auf. Galluzzo packte ihn am Arm.
      »Was machst du denn? Du gehst? Um Himmels willen, nein! Setz dich.«
    Galluzzo ekelte ihn an, er redete mit trauriger Stimme, so wie ein armer Hund, der um eine milde Gabe bittet. Michilino riß den Arm weg, aber Galluzzo hielt ihn fest im Griff. Doch in der Bewegung spürte Michilino in der rechten Tasche seiner Hose das Gewicht des Taschenmessers, das Totò Prestipino ihm gegeben hatte. Er hatte ganz vergessen, daß er es hatte, doch jetzt, da er sich erinnerte, änderte sich die Lage. Er setzte sich wieder und stellte das Gewehr gegen die Rückenlehne des Vordersitzes.
    »Alles gut und wunderbar, mein Engel!« sagte Galluzzo.
      »Du hast es dir anders überlegt, was? Jetzt machst du kein Theater mehr, nicht, mein Engel? Du knöpfst dich doch auf, ist doch so, daß du dich aufknöpfst und ihn rausholst, mein Engel mit dem schönen Schwanz?«
      Der fing ja an zu weinen, dieser Stinker. Mit der linken Hand fing Michilino an sich aufzuknöpfen, während er mit der rechten das Taschenmesser herauswühlte. Vor dem letzten Knopf nahm er die Linke zu Hilfe, um das Taschenmesser aufzuklappen. Der Buchhalter hatte überhaupt nichts bemerkt.
    »Ich bin ganz aufgeknöpft«, sagte Michilino.
    Galluzzo sah ihn an.
      »Raus mit ihm, hol ihn raus, hol ihn ganz raus, den großen Schwanz, den du drinnen hast, mein Engelchen! Ich will ihn überall streicheln, ich will ihn überall küssen!«
    Michilino schob die linke Hand in die Hose und holte ihn raus.
    Galluzzo war bei seinem Anblick ganz verblüfft.
    »Oh, Herr Jesus, Allmächtiger!« sagte er beinahe beängstigt.
    Als Michilino hörte, daß dieses Schwein den Namen Gottes leichtfertig aussprach, verwandelte sich seine Wut in so etwas wie einen kaltblütigen Gedanken, der ihm sagte, er solle darauf achten, was der andere tat, und dann sofort reagieren. Er packte das Taschenmesser, das er an seinem rechten Schenkel hielt, den Arm fühlte er frei und bereit. Der Mann kam aus seiner Verwunderung wieder zu sich, seine rechte offene Hand auf der Lehne näherte sich vorsichtig dieser ganzen Üppigkeit, diesem Reichtum, diesem Schatz. Aber sie hielt auf halbem Wege an, denn der Buchhalter wollte sie vorher benutzen, um sich die Zigarette aus dem Mund zu nehmen und sie auf den Boden zu werfen. Als die Hand wieder den Weg zu den Schenkeln des Jungen aufnahm, und diesmal mit Eile, hob Michilino plötzlich den Arm, und mit der Wut, die ihn um so vieles

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