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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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es sich in Tränen, in Blut und Schmerzen auf.

    »Gestern nachmittag ist im Ort etwas Ernstes passiert«, sagte Papà bei Tisch. Und dann, an Michilino gewandt: »Kennst du jemanden, der Alfio Maraventano heißt?«
      »Der Sohn des Kommunisten? Ja, er war in meiner Klasse, als ich in die Grundschule gegangen bin. Danach haben wir uns immer beim faschistischen Samstag gesehen. Bei der Eroberung von Makallé war er ein Bissinier.«
    »Was ist denn passiert?« fragte Mamà.
    »Gestern nachmittag, gegen sechs, ist Alfio, während er seine Schulaufgaben machte, von jemandem am Hals verletzt worden.«
    »Und wieso?« fragte Mamà weiter.
    »Was weiß ich«, sagte Papà.
    »Ist er tot?« fragte Michilino.
      »Nein, aber er ist schwer verletzt. Allerdings sagen die Ärzte im Hospital von Montelusa, daß er es vielleicht schafft.«
      Michilino wurde ganz verzagt. Wenn Alfio nicht starb, mußte er wieder von vorne anfangen. Ein schöner Schlamassel.
    »Weiß man, wer es war?«
      »Nein, aber Commissario Zammuto, mit dem ich heute morgen gesprochen habe, hat mir zu verstehen gegeben, daß er einen Verdacht hat.«
    »Und das heißt?«
      »Das heißt, liebste Ernestina, vor allem muß man sich darüber im klaren sein, daß diese Kommunisten keine zivilisierten Menschen wie wir sind, sondern wilde Tiere.«
    »Was soll das heißen?«
      »Das soll heißen, daß Commissario Zammuto zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Verletzung dem Alfio von seinem Vater selbst, dem Schneider, zugefügt worden ist.«
      »Heilige Muttergottes!« entsetzte sich Mamà. »Und wie ist der Commissario zu dieser Einsicht gelangt?«
      »Nach Ansicht des Arztes ist Alfio von einem großen Messer verletzt worden. Und der Commissario hat ein großes Messer in einer Schublade der Schneiderei des Maraventano gefunden. Wegen dieses Verdachts hat er ihm die Handschellen angelegt.«
      »Aber aus welchem Grund sollte ein Vater versuchen, seinen Sohn umzubringen?« fragte Mamà fassungslos.
    »Ernestí, das wirst du nie verstehen, weil du mit deinem Kopf
    denkst, der nicht der Kopf eines Kommunisten ist. Der Kopf eines Kommunisten ist noch verdrehter als ein Schweineschwänzchen.«
    »Das stimmt«, sagte Mamà.
      »Ich hoffe nur, daß, wenn es denn wirklich der Schneider gewesen ist, man ihn vor ein Erschießungskommando führt.«
      »Ich möchte noch ein bißchen Huhn«, sagte Michilino, der einen starken Appetit bekommen hatte.
    Es war also möglich, daß der Herr Jesus in der Lage war, statt nur einen, gleich zwei Kommunisten sterben zu lassen, Vater und Sohn!

Fünf

    »Wollen wir was tauschen?« fragte Totò Prestipino, während sie die Treppe zum Unterricht hochstiegen.
    »Was wollen wir denn tauschen?«
      »Ich tausch' das hier«, sagte Totò und zog ein Taschenmesser aus der Tasche, das wegen seiner Länge eher schon ein Klappmesser als ein Taschenmesser war.
    »Laß mich mal genauer sehen.«
      Totò hielt es ihm hin. Es hatte eine Spitze und war scharf wie eine Rasierklinge, der Handgriff war aus Knochen. Er mochte es sehr. Papàs Jagdmesser hatte er nur einmal berühren dürfen, die Klinge war so kalt gewesen, daß es ihm vorkam, als wäre sie aus Eis gemacht. Ihm war ein richtiger Schauer über den Rücken gelaufen. Wäre er weiterhin mit dem Finger darübergefahren, wäre er aufgrund der ständigen Schauer im Rücken am Ende wohl in Ohnmacht gefallen. Totòs Taschenmesser hatte nicht die gleiche Wirkung auf ihn. Trotzdem wäre es schön gewesen, es in der Tasche bei sich zu haben.
    »Und was willst du dafür haben?«
    Totò Prestipino war völlig auf Kreisel fixiert, er hatte sechs davon, ganz aus Holz, und er war geschickt, sie zu drehen, sie im Flug aufzunehmen und sie in seinem Handteller weiter drehen zu lassen, sie dann wieder auf die Erde zu werfen, wo sie sich noch immer drehten. Und so hatte Michilino ihm eines Tages den Kreisel gezeigt, den Papà ihm am Tag des Festes des heiligen Caloriu im Jahr zuvor gekauft hatte, einen Kreisel von denen, über die man sich erzählte, daß der Fabrikant bei seiner Herstellung eine Fliege hineinsetzte, um ihn leichter zu machen, luftiger. Und tatsächlich wirkte Michilinos Kreisel wie eine Ballerina, die auf den Zehenspitzen tanzte, sich bald zur einen, bald zur anderen Seite neigte, wieder leicht in eine gerade Linie zurückkehrte, dann einen weiten Bogen machte und danach einen engeren … Ein Wunderding, aber auch das Taschenmesser war ein Wunderding.
    »Und wieso

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