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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Soldaten Christi und des Duce sein, rein an Körper und Seele, mutig und unerschrocken, damit sich die Herrschaft Seiner Majestät Vittorio Emanuele des Dritten und die des allmächtigen Gottes immer weiter ausbreite auf dieser Erde, bis sie insgesamt erobert ist!«
      So redete er, mit selbstgestellten Fragen und den dazugehörigen Antworten, über eine Stunde, ununterbrochen. Dann hielt er inne.
    »Diese unsere Begegnung sollte noch eine weitere Stunde dauern. Doch ich habe noch etwas beim Bischof in Montelusa zu erledigen. Betet zu Gott für den Duce und für den König!«
      Von einem Zauber umsponnen, lauschte Michilino bis zum Ende den Worten von Monsignor Miccicchè. Als er die Kirche verließ, war er so erregt, daß er ein paar Grad Fieber spürte. An der Haustür angekommen, hob er den Arm, um zu klopfen, doch er merkte, daß das Türschloß nicht völlig eingeschnappt war, er brauchte nur ein bißchen zu drücken und die Tür würde aufgehen. Er beschloß, Mamà eine Überraschung zu bereiten. Er stieß mit beiden Händen, die Tür ging auf, er trat ein und verschloß sie leise wieder. Das Radio lief. Auf leisen Pfoten ging Michilino in der Küche nachsehen. Da war sie nicht. Bestimmt war sie weggegangen, weil sie meinte, er würde erst eine Stunde später wiederkommen? Was für eine Überraschung, wenn Mamà ihn nach ihrer Rückkehr schon zu Hause vorfände. Ja, er würde schon den Tisch decken. Doch weil er dringend Pipì machen mußte, ging er zum Bad. Eine Art Klagen ließ ihn innehalten. Es kam aus dem Wohnzimmer. Die Tür war nur angelehnt, er hielt sein Gesicht an den Spalt und schaute. Mamà wirkte halb bewußtlos, sie hielt den Kopf ganz nach hinten und lehnte ihn auf die Schulter von Padre Burruano, der neben ihr auf dem Sofa saß. Mamàs Brust war völlig nackt, ohne Unterhemd noch Büstenhalter, ihr Mund war geöffnet und sie lamentierte leise. Padre Burruano hielt sie mit dem linken Arm um die Hüfte gefaßt und strich ihr mit der rechten Hand über die Brüste.
      »Was ist passiert?« fragte Michilino erschrocken und öffnete die Tür.
      »Heilige Jungfrau!« rief Mamà und wollte aufstehen, doch fiel sie gleich zurück aufs Sofa, so als wären ihre Beine butterweich geworden.
      »Mamà hat sich nicht wohl gefühlt. Sie brauchte Luft«, sagte Padre Burruano.
    »Ich brauchte unbedingt Luft«, bestätigte Mamà.
    Sie war rot wie eine Peperonischote, ihre Brust hob und senkte
    sich wegen des kurzen Atems.
    »Soll ich dir etwas Wasser holen?« fragte Michilino besorgt.
    »Ja«, antwortete Mamà.
      Als er mit dem Glas aus der Küche zurückkam, hatte Mamà sich den Büstenhalter wieder angezogen und hielt in der Hand das Unterhemd. Sie trank das Wasser.
    »Geht es Ihnen besser, Signora?« fragte der Geistliche.
      »Ja, besser. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich keine Luft mehr bekommen habe. Ein Glück, daß Ihr da wart, Padre, und mir Ruhe verschafft habt, indem Ihr mir die Kleider aufgemacht habt. Fast wäre ich erstickt. Und Ihr müßt mich entschuldigen für den Schrecken, den ich Euch versetzt habe. Jetzt, mit Eurer Erlaubnis, gehe ich ins Bad und erfrische mich.«
    Sie stand auf und verließ das Zimmer.
      »Wie ist es mit Monsignor Miccicchè gelaufen?« fragte der Geistliche.
      Begeistert erzählte Michilino ihm alles. Der Geistliche hörte zu, ohne etwas zu sagen. In sein Gesicht war die ganze Zeit über ein unsympathisches Lächeln gestanzt.
    »Mit dem Fernglas«, sagte er schließlich.
    »Was heißt: mit dem Fernglas?«
      »Das heißt, daß Monsignor Miccicchè Abessinien mit dem Fernglas gesehen hat.«
    Mamà kam zurück, Padre Burruano stand auf.
      »Wann können wir unser Gespräch fortsetzen und es noch mehr vertiefen? Wir waren gezwungen, es auf halbem Wege abzubrechen, als Sie keine Luft mehr bekamen.«
      »Gern morgen nachmittag schon, sofern Ihr Zeit und Lust habt.«
    »Zeit finde ich durchaus. Und was die Lust angeht, mit Ihnen zusammenzusein, liebe Signora, die, das wissen Sie, ist immer vorhanden.«
      Mamà begleitete ihn zur Tür und ging dann zu Michilino ins Bad, der Pipì machte.
    »Hör zu, Michilino …«
      »Entschuldige, Mamà, vorher will ich dich etwas fragen. Was bedeutet das, daß Monsignor Miccicchè Abessinien mit dem Fernglas gesehen hat?«
    »Wer hat das gesagt?«
      »Padre Burruano, während du dir das Gesicht gewaschen hast.«
      »Es bedeutet, daß dieser Monsignore das Laster hat, ein bißchen viel Wind um das

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