Der zerbrochene Kelch
ihn mitnehmen wollten.«
»Aber sie haben bei Ihnen etwas gesucht, sonst hätten sie Ihre Wohnung nicht durchwühlt. Andererseits kann das auch nur eine Finte gewesen sein und man wollte Ihnen einen Denkzettel verpassen. Haben Sie Feinde hier in Delphi?«
Delvaux kam das Gespräch allmählich wie ein Verhör vor, aber was konnte man von einem Cop schon anderes erwarten?
»Es gibt hier bestimmt einige Leute, die mich nicht mögen, aber das beruht auf Gegenseitigkeit, und dadurch lasse ich mich nicht von meiner Arbeit abbringen.« Er trat zur Tür und öffnete sie. »Au revoir, wir sehen uns bestimmt noch.«
Mansfield nickte gelassen. »Das glaube ich auch.«
56
Nur wenige Minuten später wagte sich ein anderer Campbewohner vor Karens Tür. Wieder öffnete Mansfield, der Eliadis vor sich stehen sah.
»Suchen Sie zufällig auch Ihre Uhr?«
»Wie bitte?«
»Vergessen Sie’s und kommen Sie rein. Mögen Sie einen Ouzo?«
»Da sag ich nicht Nein.«
Er trat ins Wohnzimmer und setzte sich auf die alte Polstergarnitur, während Mansfield eine Flasche Ouzo und zwei Gläser aus der Küche holte. Er goss gerade den Anisschnaps in die Gläser, als Karen ins Zimmer kam und Eliadis fröhlich begrüßte. Doch dann bemerkte sie seine angeschwollene Lippe. Eliadis sah ihren Blick und wandte sofort den Kopf weg, doch es war bereits zu spät. Karen war mit wenigen Schritten neben Mansfield.
»Sag mir, dass du das nicht warst.«
»Was nicht war?«
»Das da.« Sie zeigte auf Eliadis’ Mund. »Du hast ihn geschlagen?«
»Er wollte es so haben, also reg dich nicht auf.«
Karen pumpte gerade ihre Lungen voll, um ihm ihre Meinung zu sagen, als sie sah, wie Michael Nikos einen amüsierten Blick zuwarf, nach den Gläsern griff und ihm eins hinhielt. Eliadis nahm das Glas entgegen.
»Yia mas«, sagte Mansfield und stieß mit Eliadis an.
»Yia mas.«
Karens Wutpegel ging sofort wieder nach unten, als sie das breite Grinsen der beiden Männer bemerkte.
»Okay. Ich weiß zwar nicht, was das zu bedeuten hat, aber ich will dann eure männlichen Initiationsriten nicht länger stören und gehe jetzt ins Dorf einkaufen. Brauchst du noch was, Darling?«
Mansfield verzog das Gesicht. »Bring bitte etwas Tsatsiki und diesen herrlichen frischen Joghurt mit. Und eine Flasche Whiskey, wenn möglich. Auf Dauer ertrag ich diesen Ouzo nämlich nicht. Nichts gegen euren Ouzo, Nikos, aber …«
»… man kriegt davon immer so einen Schädel, ich weiß.«
Karen warf noch einen letzten Blick auf die beiden Männer, die sich blendend zu verstehen schienen, und schloss dann die Tür hinter sich.
Eliadis zeigte hinter ihr her. »Ist sie eigentlich immer so, dass sie den Drang hat, auf kleine Kinder und Schwerstbehinderte aufpassen und sie beschützen zu müssen?«, fragte Eliadis, der diese kämpferische Seite nun schon zum zweiten Mal an Karen erlebt hatte.
»Sie sind nicht schwerstbehindert, Nikos.«
»Ich weiß.«
»Sie ist da ein bisschen empfindlich, wenn ich mich mit jemandem geschlagen habe«, gab Mansfield zu. »Sie mag das nun mal nicht. Sie hat wohl Angst, dass ich mal zu weit gehe.«
»Sind Sie denn schon mal zu weit gegangen?«
»Ich glaube nicht, aber das sollten Sie vielleicht lieber die Leute fragen, die es betrifft und die jetzt in New York im Gefängnis sitzen. Ich bin da wahrscheinlich nicht ganz neutral.« Er schenkte noch mal ein. »Yia mas.«
»Yia mas.«
57
Als Eliadis sich von Mansfield verabschiedet hatte, ging er zunächst in seine Hütte, aber nur für kurze Zeit. Er wollte die Kylix, die er gestern aus dem Tresor gestohlen hatte, aus ihrem Versteck holen, aber er wusste natürlich, dass Delvaux ihn beobachtete. Doch dieser hätte ruhig die Polizei rufen können, denn er hatte das gute Stück natürlich nicht im Camp versteckt. Wie Delvaux richtig vermutet hatte, stand die Kylix in ihrem Glaskasten in einer Höhle oben in den Felsen, wo sie niemand finden würde. Er hatte bei Delvaux anscheinend einen empfindlichen Nerv getroffen, als er dessen heiliges Reich betreten und die Kylix aus dem Tresor gestohlen hatte. Eliadis lachte bei dem Gedanken an Delvaux’ wütendes Gesicht.
Der Krüppel stellt dir Bedingungen. Damit hattest du natürlich nicht gerechnet, dachte er, als er sich an das Streitgespräch mit Delvaux erinnerte. Es war das erste Mal, dass er sich ihm gegenüber überlegen fühlte, und dieses Gefühl war sehr angenehm. Er schwelgte geradezu darin.
Wenn er sich nicht täuschte, war Delvaux im
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