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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Umgebung mit schwarzem Firnis bedeckt, sodass die Figuren einem geradezu entgegenleuchten. Ist sie nicht herrlich? Hier, sehen Sie diese feinen schwarzen Linien und die Schraffuren. Die Figuren wirken dadurch viel lebendiger als beim schwarzfigurigen Stil, der vorher herrschte, finden Sie nicht auch?«
    Er deutete nochmals auf den Glockenkrater neben der Tür, dessen schwarze Figuren auf dem hellen Tonuntergrund Karen vom künstlerischen Stil her jetzt tatsächlich schlichter vorkamen.
    »Genauso diese Scherben. Es dauert nicht mehr lange, dann steht die Kylix wieder in all ihrer Pracht vor uns.«
    Er nahm eine der Scherben in die Hand und wollte sie Karen reichen, als sie hinter sich eine raue Stimme hörten.
    »Nicht berühren!«
    Karen zuckte zusammen, doch Delvaux blieb gelassen stehen. Er hielt die Scherbe vor Karens Gesicht.
    »Ach ja, ich vergaß zu erwähnen, dass unser delphischer Legendenerzähler auch glaubt, dass über dieser Kylix ein Bann herrscht, der jeden, der sie berührt, ins Verderben zieht.«
    Delvaux und Karen drehten sich zu Eliadis um, der mit finsterer Miene im Türrahmen stand. Hinter ihm schien die grelle Mittagssonne und ließ ihn wie einen dunklen Schatten erscheinen. »Man sollte die Kylix in Ruhe lassen und die Scherben wieder in der Nähe des Brunnenbeckens vergraben, dort, wo sie seit über zweitausend Jahren ruhten. Dann wird uns auch nichts geschehen.«
    »Diese abergläubischen Griechen«, flüsterte Delvaux Karen zu, doch dann wandte er sich direkt an Eliadis. »So ein wertvolles Stück wieder einbuddeln? Du bist verrückt.
    Nein, sie ist zu schön und zu perfekt, um in der Erde zu ruhen. Der Künstler hat sie damals fürs menschliche Auge geschaffen und nicht für Apollon. Es ist unsere Aufgabe als Archäologen, diese Schätze auszugraben, sie der Fachwelt und den Menschen in den Museen zu präsentieren.«
    Eliadis’ Finger bohrten sich in den Türrahmen. Nein, dachte er, das glaube ich nicht, aber du hast sie gefunden, und so werden du, Prof. Hillairet und das Kulturhistorische Amt in Athen leider über ihr Schicksal entscheiden. Oder vielleicht auch nicht, fügte er in Gedanken mit einem grimmigen Lächeln hinzu, während er zusah, wie Delvaux die halbe Kylix wieder in den Glasbehälter stellte und ihn verschloss. Mit Genugtuung hatte er bemerkt, dass Karen die Scherbe nicht berührt hatte. Und jetzt trat sie einen Schritt zur Seite, als Delvaux den Glaskasten in den Tresor zurückstellte und ihn verschloss.
    »Warum bist du eigentlich hier?«, wollte Delvaux wissen. »Musst du nicht im Museum aushelfen?«
    »Heute nicht. Ich war oben am Brunnenbecken. Der Professor hat nach dir gefragt.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Und was will er von mir?«
    »Hat er mir nicht verraten.«
    Beide Männer starrten sich eine Zeit lang an, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich gab Delvaux nach und grinste Karen entschuldigend an. »Dann gebe ich Sie jetzt in die vertrauensvollen Hände unseres Legendenerzählers und suche Prof. Hillairet.« Er wandte sich an Eliadis. »Er ist beim Brunnenbecken, sagtest du?«
    »Ich denke schon. Gerade eben war er jedenfalls noch da.«
    Delvaux stand jetzt neben Eliadis, der ihm nur langsam den Weg frei machte. »Und du zeigst Madame Alexander das Museum?«
    »Das hatte ich ihr gestern versprochen.«
    Delvaux wechselte einen kurzen Blick zwischen den beiden. Sie hatten gestern also noch miteinander gesprochen, ehe er mit Karen nach Galaxidi gefahren war? Nikos überraschte ihn immer wieder, aber glaubte der Grieche wirklich bei Karen landen zu können? Delvaux lachte innerlich über Nikos’ Neid und dessen erfolglose Versuche, ihn bei Frauen auszustechen. Es war ein Wettkampf, den Nikos niemals gewinnen würde. Außer bei Selena, an der sich Delvaux bisher zugegebenermaßen die Zähne ausgebissen hatte.
    »Also gut, dann mach ich mich mal auf den Weg.« Er nickte Karen kurz zu und verschwand dann, ohne sich umzudrehen, auf dem steinigen Trampelpfad zum Heiligen Bezirk.

18
    Eliadis wandte den Kopf und hielt für Karen die Tür weit auf.
    »Kommen Sie aus dem staubigen Lager heraus, Karen. Kommen Sie ins Licht.«
    Sie ging zu ihm, nahm die drei Stufen und trat in den hellen Sonnenschein hinaus, wobei sie sich fragte, warum sie aus dem Lager herauskommen sollte. »Müssen wir außen herumgehen? Gibt es denn keine direkte Tür zwischen dem Museum und dem Lager?«
    »Doch, natürlich, aber die wird nur geöffnet, wenn Artefakte neu sortiert oder restauriert werden

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