Der Ziegenchor
Kentauren, die man auf einigen Vasenbildern sieht, jung und verwegen, eher übermenschlich als halb Tier, halb Mensch. Sie redeten sehr wenig, und auch ihre Gesichter wirkten etwas eigenartig, denn viele von ihnen hatten sich trotz ihres Alters den Bart geschoren, und die meisten hatten strahlendblaue Augen und langes glattes Haar. Eigentlich sollte ich annehmen, daß Achilles wahrscheinlich so ausgesehen hatte, zumal er aus Phthia stammte; aber Achilles habe ich nie gemocht, diese Thessalier gefielen mir dagegen sehr.
Es war nicht einfach, ein paar Worte aus ihnen herauszubekommen, während wir nach Larisa ritten – offenbar waren sie weder am Theater noch an anderen Dingen sonderlich interessiert, es sei denn, es ging um Schafe oder thessalische Politik. Wobei letztere anscheinend fast ausschließlich aus Mordanschlägen unter den herrschenden Familien bestand, wie ich aus ihren Gesprächen folgerte. Einer aus unserer Begleitung erzählte mir ein wenig über die derzeitigen Vorgänge, aber ich verlor schon bald den Faden, da die meisten thessalischen Stammesführer die gleichen Namen zu haben schienen, und als ich meinen Lehrer sagen hörte: »Und danach tötete Perdikkas, Sohn des Skopadas, den Perdikkas, Sohn des Perdikkas, wodurch Skopadas, Sohn des Thettalos, dem Perdikkas, Sohn des Kersebleptes, auf Gnade und Ungnade ausgeliefert war«, gab ich es auf und beschäftigte mich statt dessen damit, Vögel zu zählen. Aber diese Thessalier hatten etwas Vertrauenswürdiges und Aufrichtiges an sich, das ihre Unzulänglichkeiten als Gesprächspartner ausglich, und sie strahlten diese schwerfällige Würde aus, der man oft bei etwas begriffsstutzigen Leuten begegnet. Darüber hinaus gehörten sie zu jenen Menschen, denen es nichts ausmacht, wenn man eine halbe Stunde lang keinen Ton sagt, und davon gibt es in Attika wahrhaftig nicht viele.
Als wir Larisa erreichten, hielt ich es zunächst für ein Dorf. Zwar hatte der Ort Mauern und Tore und war wirklich ziemlich groß, und die Menschen auf den Straßen, insbesondere die Frauen, waren alle gut (wenn auch wunderlich) gekleidet, doch konnte ich mich die ganze Zeit eines gewissen Kleinstadtgefühls nicht erwehren, das beileibe nicht jedermanns Sache ist. Theoros mochte es offenbar nicht – er gehört zu diesen Menschen, die sich schon unwohl in ihrer Haut fühlen, wenn sie beim Ausstrecken der Hände ausnahmsweise einmal keinen Marmor berühren –, aber ich gebe zu, daß mir Larisa sehr gefiel. So kam ich damals auf den Gedanken, mir im Falle einer Verbannung kaum einen schöneren Ort zum Leben als diesen hier vorstellen zu können. Straton, das dritte Mitglied unserer Gruppe, gab sich wie immer sichtbar Mühe, mit jemandem anzubändeln, allerdings hatte er damit schon angefangen, gleich nachdem wir auf unsere Begleiter getroffen waren, und ich glaube nicht, daß er bei irgendeinem von ihnen Erfolg hatte.
Ich rechnete damit, daß unsere Gastgeber, die Prinzen, von ähnlicher Statur wie die von ihnen gesandten Reiter wären, was allerdings nicht im entferntesten der Fall war. Als wir den Palast erreichten – ein riesiges rechteckiges Gebäude, wie ein übergroßer Trierenschuppen –, kamen sie zur Begrüßung nach draußen; zwei sehr dicke Männer, die beide Ende Zwanzig waren. Ich hatte mir die Prinzen älter vorgestellt, aber dann fiel mir ein, was mir mein Freund, der Reiter, über thessalische Politik erzählt hatte, und ich begriff, daß hier kaum ein Stammesführer älter als dreißig Jahre werden konnte.
Es geht nichts über eine Begegnung mit Ausländern, damit man über die eigenen Landsleute scharf nachdenken kann. Alexander und Jason trugen Kleidung, die in Athen vor etwa acht Monaten in Kreisen, in denen sich zum Beispiel Alkibiades aufhielt, dem letzten Schrei entsprochen hätte, nur hätten Alkibiades und seine Freunde niemals so schweren Goldschmuck dazu angelegt. Zunächst einmal hätten sie ihn sich gar nicht leisten können, und selbst wenn es ihnen gelungen wäre, so viel Gold zusammenzubekommen, wie Jason um den Hals hing, hätten sie es viel eher zur Bestechung von Geschworenen benutzt, anstatt sich daraus ein riesiges Halsband aus massivem Gold anfertigen zu lassen. Als er sprach, redete Jason in attischem Griechisch, wobei er lediglich nicht ganz verstand, wann er statt ›t‹ ›s‹ sagen mußte, und seine Stimme klang fast, aber eben doch nicht ganz wie die eines Atheners. Theoros schauderte, als er ihn hörte, und ich glaube, selbst
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