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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Straton mochte ihn nicht besonders. Mit Alexander war es nicht viel besser.
    Sein Attisch war beinahe perfekt, aber er lispelte ständig – wahrscheinlich, um Alkibiades nachzuahmen –, und es wirkte schon fast störend, wenn er es einmal vergaß. Auch Straton lispelt von Natur aus, und ich glaube, Alexander wollte witzig sein.
    Die Prinzen schienen über solch ermüdende Angelegenheiten wie Reiter und Geld nur ungern sprechen zu wollen, obwohl sie außerordentlich redselig waren und Theoros – der inzwischen schon fast eingeschnappt und kurz davor war, sich danebenzubenehmen – immer wieder versuchte, das Gespräch herumzureißen. Aber Alexander war ganz offensichtlich nicht bereit, sich um sein ihm zustehendes Kontingent an gesprochenem Attisch bringen zu lassen. Als Theoros ihn freiheraus fragte, wann wir endlich das Geschäftliche besprechen würden, winkte er mit einer gekünstelte Geste ab und sagte, einige Vorbereitungsgespräche könne man ja morgen oder übermorgen führen. Bis dahin habe er für uns eine solch hübsche Überraschung vorbereitet, die für uns doch bestimmt nicht durch eine langweilige Unterhaltung über ein paar dämliche alte Reiter verderben lassen wollten. Das schien, soweit es Theoros betraf, gerade noch gefehlt zu haben. Er hob die Füße auf die Liege und tat so, als wolle er einschlafen.
    Nach einigen Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkamen, gelang es uns zu entkommen, indem wir vorgaben, die Kleider wechseln zu müssen, und wir wurden durch einen langen Gang davongeführt, der Teil der Stadtmauer war. Nachdem wir scheinbar einen Tagesmarsch hinter uns gebracht hatten, wurde jeder von uns in einen hausgroßen Raum geführt, in dem überall mit Schnitzereien verzierte Möbel und Unmengen Silbergeschirr herumstanden. Ich legte meinen besten Chiton und Umhang an, musterte mein Gesicht in einem großen Mischgefäß aus Bronze (was es dort zu suchen hatte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen), und klopfte an Stratons Tür, um mit seiner Hilfe herauszufinden, was als nächstes passieren würde.
    »Worum handelt es sich deiner Meinung nach bei der Überraschung?« fragte ich.
    »Ach, irgend etwas Gräßliches«, winkte er ab. »Bauchtänzerinnen, Menschenopfer, Gladiatorenschau, Gedichtevortrag – bei diesen Leuten kann man nie wissen. Manchmal ist es wie auf einer langweiligen Feier, ein andermal wie aus den Abenteuern des Odysseus. Aber egal, worum es sich handelt, bleib immer ernst und lächle viel.«
    Die Haupthalle des Palastes war so, wie ich es mir für ein solches Gebäude immer vorgestellt hatte – mit langen Tischen und Bänken, genau wie bei Homer, und einer riesigen Feuerstelle, die sich über den ganzen Raum erstreckte. Das Dach war sehr hoch und vom Rauch ganz schwarz, und überall wurden an Spießen Ferkel und ganze Hirsche gebraten; in meinem ganzen Leben hatte ich noch nie soviel Fleisch gesehen. Auf den Bänken saßen dichtgedrängt riesige, furchterregend aussehende Männer, die allesamt grobe Wollkleidung und ungeheure Mengen Goldschmuck trugen und zudem einen außerordentlichen Lärm veranstalteten. Die meisten von ihnen sahen wie Griechen aus, aber es waren Männer dabei, die wie die Perser Hosen oder phrygische Filzmützen und Tiaren trugen, und einige hatten sich aus unerfindlichen Gründen sogar Brustpanzer angelegt. Das alles kam mir sehr seltsam vor und schüchterte mich durchaus ein, aber meine beiden Begleiter fanden es schlichtweg ekelerregend und murmelten etwas vor sich hin, daß es einfachere Möglichkeiten geben müsse, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zum Beispiel nach Kohle zu graben.
    Als Ehrengäste saßen wir neben den Prinzen und waren bald mit Essen überhäuft. Unter den Schönen und Reichen Thessaliens schien man zu glauben, daß alles, was sich bewegt, auch gegessen werden kann, und was sich nicht bewegt, automatisch ausscheidet, denn das einzige Gemüse, das ich entdecken konnte, war Lauch, zu einer Art Mus gekocht und aus einem riesigen Silberkessel geschüttet. Zu trinken bekamen wir Wein – köstliche Tropfen aus Rhodos und Chios, unverdünnt in ausgehöhlten Büffelhörnern serviert –, doch die Thessalier schienen eine leicht klebrige schwarze Flüssigkeit vorzuziehen, die sie offenbar aus verdorbenem Honig herstellten. Zu unserer großen Erleichterung bot uns aber niemand etwas davon an. Wenn das die hübsche Überraschung war, dachte ich bei mir, als ich mich an meine dritte Portion gebratenes Wildbret machte,

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