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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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essen.
    Auf mein Essen hatte ich einen thessalischen Hunger, aber mein Kopf war wieder voll von Komödien. Als hätte mich ein Gott inspiriert, wollte ich nichts als mich irgendwo in Ruhe hinsetzen und mit dem Schreiben anzufangen. Es spielte keine Rolle, daß ich weder Handlung noch einen Stoff oder irgendwelche Charaktere hatte – das waren nichts als unwichtige Details. Eine wirkliche Rolle spielte nur die Tatsache, daß mir die Last des Heerführers von den Schultern genommen worden war. Und dann, als ob sich ein zweiter Gott zu dem ersten gesellt hätte, erinnerte ich mich daran, was mir Kleonymos während unserer Unterhaltung in Pallene gesagt hatte: Er könne mir einen Chor verschaffen, ich müsse nur wollen.
     
    Bitten Sie mich nicht, mich daran zu erinnern, wieviel wir am Ende für jeden Reiter wirklich bezahlt haben – es war irgend etwas um die vier Obolen pro Tag und ein Talent als Prämie, was nach unsere Rückkehr auch ohne allzu große Probleme von der Volksversammlung bewilligt wurde. Als nächstes erinnere ich mich daran, wie ich mit einer halben Anfangsszene im Kopf unter meinem Feigenbaum in Pallene saß, verzweifelt nach einem Namen suchte und jemand auf den Feldern jenseits des Hauses den Namen meines Verwalters rief, der Marikas hieß. Nicht lange darauf brachte ich drei Rollen ägyptisches Papyros zum Archon und bekam einen Chor bewilligt.
    Marikas erhielt auf den Städtischen Dionysien in dem Jahr den ersten Preis, in dem Ameipsias mit seinen Weinschläuchen zweiter wurde. Aristophanes belegte mit seinem Stück Die beiden Brüder den dritten Platz.
     
    Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, mit Marikas den ersten Preis zu gewinnen, und mir deshalb keinen geeigneten Ort zum Abhalten meiner Siegesfeier überlegt. Die Ausweglosigkeit meiner Lage wurde mir erst nach der Aufführung bewußt (mein Stück war als letztes angesetzt worden), als die Mitwirkenden hinter der Bühne feierten. Eine Zeitlang saß ich mit in die Hände gestütztem Kopf da und versuchte, mir einen Ausweg aus der Klemme zu überlegen. Wie ich es sah, blieben mir drei Möglichkeiten: gar keine Siegesfeier abzuhalten (was so undenkbar war, wie eine Schlacht auszutragen, ohne danach die Siegesbeute einzusammeln, oder wie Getreide anzubauen, ohne es zu ernten), sie in Phaidras Haus abzuhalten oder jemand anders zu finden. Ich hatte mich gerade dazu durchgerungen, den Geldgeber – einen mit Dummheit geschlagenen, kümmelsamenspaltenden alten Geizhals namens Antimachos –, zu bitten, mir sein Keramiklagerhaus in Piräus zur Verfügung zu stellen, als ein Bote kam, der nach mir suchte. Es war Phaidras Sklave Doron.
    »Meine Herrin bittet mich, dir auszurichten, daß sie ihren Vater auf dem Land besucht«, teilte er mir mit, »und dir das Haus deshalb drei Tage lang zur Verfügung steht. Sie bittet dich nur, dafür zu sorgen, daß sich deine Freunde auf den Liegen nicht übergeben.«
    Zu diesem Zeitpunkt dankte ich Dionysos bereits mit emporgestreckten Händen und machte mich umgehend daran, Einladungen auszusprechen. Erst als man mich zu Philodemos’ Haus heimtrug, ermahnte mich mein Gewissen, daß es sich hierbei um die großmütige Geste eines Menschen handelte, der von mir nicht gut behandelt worden war. Allerdings hatte ich so viel Wein getrunken, daß etwas davon bis tief in mein Innerstes durchgesickert sein mußte, denn in jener Nacht war mir ungewöhnlich sentimental zumute.
    Nach ein paar Stunden Schlaf war ich wieder auf den Beinen und vollauf damit beschäftigt, Philodemos’ gesamte Dienerschaft, Kallikrates und den Hausherrn selbst mit Einladungen durch die Stadt zu schicken, da sie unter keinen Umständen ausgeschlagen werden durften. Meine eigene Rolle in diesem xerxischen Feldzug war die des Quartiermeisters, und ich füllte meinen Geldbeutel bis obenhin und machte mich zum Markt auf. Kaum hatte ich den Fuß vor die Tür gesetzt, traf mich das grelle Sonnenlicht wie ein Schlag ins Gesicht, aber ich hielt tapfer durch und kaufte jeden Tropfen Wein in Athen auf, den ich ergattern konnte. Zudem legte ich mir einen angemessenen Vorrat an Lebensmitteln an, hauptsächlich Fisch, falls die Gäste vergessen sollten, selbst etwas mitzubringen. Danach machte ich mich auf den Weg zu Phaidras Haus, gefolgt von einem endlos scheinenden Zug von Trägern, durch den die restliche Betriebsamkeit auf den Straßen fast gänzlich zum Erliegen kam, und machte mich schließlich an die Arbeit.
    Phaidras Haus, das ich eine Zeitlang

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