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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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weiß auch nicht genau, wieso. Vielleicht deshalb, weil die Spartaner in den Jahren, in denen sie über Attika hergefallen sind, Phyle noch nie niedergebrannt haben.«
    »Eleutherai hatten sie bislang auch noch nie angegriffen«, gab Kallikrates zu bedenken. »Hast du denn noch immer nicht genug davon, alle deine Ländereien und Besitzungen aufzusuchen?«
    »Mir tut der Fuß weh, und ich will nach Phyle«, beharrte ich.
    Also gingen wir nach Phyle und kamen dort gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit an. Die Hausbewohner waren über unseren Anblick höchst überrascht, aber nicht halb so sehr wie wir über ihren. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung, daß die Spartaner schon angekommen waren, sondern spielten erst jetzt mit dem Gedanken, die Sachen zu packen und nach Athen zu ziehen.
    »Die sind ja dieses Jahr ziemlich früh dran, was?« stellte der Verwalter fest; wobei das aus seinem Mund nicht nach den Spartanern klang, sondern vielmehr nach Frost oder Heuschrecken.
    »Ich finde, wir sollten uns noch heute nacht auf den Weg machen«, schlug Kallikrates vor. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Spartaner im Dunkeln zu großartigen Aktionen neigen.«
    Natürlich protestierte ich wie nur irgend etwas, aber wie ich vermute, wurden zum damaligen Zeitpunkt meine Ansichten noch nicht besonders ernst genommen. Der Verwalter eilte davon, um beim Packen letzte Hand anzulegen, während mir Kallikrates vorsichtig die Sandale des Toten auszog und meinen Verband erneuerte.
    Nun gut, über unsere Rückreise nach Athen gibt es eigentlich nicht viel mehr zu berichten, als daß sie uns sehr lang und unerfreulich vorkam. Als wir wieder zu Hause waren, ließ ich mich auf eine Liege an der Feuerstelle fallen und schlief sofort ein. Kallikrates mußte dem Rat die Nachricht von dem Massaker bei Eleutherai allein überbringen. Meine Ferse heilte ziemlich schnell, da die Wunde sauber und ich noch sehr jung war. Etwa eine Woche später war mein Zustand praktisch wieder normal, so daß ich erneut Grundbesitzer spielen konnte. Ich hatte nicht einmal Alpträume, und das war eine große Erleichterung für mich, da ich meinen Schlaf brauche. Aber das Maultier, das weiß ich noch genau, verkaufte ich so schnell, wie ich konnte. Auf dem Marktplatz erhielt ich sogar fünfundvierzig Drachmen und drei Obolen dafür und fühlte mich entsprechend erbärmlich, da ich aus diesem Geschäft auch noch einen Profit geschlagen hatte. Dabei handelte es sich nicht einmal um ein besonders gutes Maultier, aber der Mann, der es von mir erworben hatte, schien äußerst zufrieden zu sein. Wahrscheinlich war er auch nur ein Narr.
     
    Etwa zu dieser Zeit schrieb ich den Großteil des Theaterstücks, das einmal meine erste Komödie werden sollte, obwohl diese erst sehr viel später aufgeführt wurde, wie Sie noch im Verlaufe der Erzählung erfahren werden. Zwischen der Niederschrift und dem Augenblick, als ich es in fertiger Form dem Archon vorlegte, schrieb ich sogar die meisten Witze um und legte zwei der Charaktere von Grund auf neu an, da sich die politische Situation geändert hatte und selbst ich keinen Stoff mehr retten konnte, der so hoffnungslos veraltet war. Mit der Ausnahme von Stroh ist nichts so schnell abgedroschen wie ein Witz, der auf das aktuelle Zeitgeschehen anspielt. Wären mir die Haare nicht schon zuvor durch die Pest ausgegangen gewesen, hätte ich sie mir wahrscheinlich damals vor lauter Verzweiflung ausgerissen, weil ich ohnmächtig mit ansehen mußte, wie meine lustigsten Witze einfach davonschwammen, nur weil es mal wieder irgendein Schwachkopf von Politiker nicht geschafft hatte, wiedergewählt zu werden.
    Guten Stoff zu verschenken, kann ich nämlich nicht ertragen, und das ist für einen Komödienschreiber ein ernsthaftes Problem. Meiner Meinung nach steckt die Wurzel allen Übels in der Art, wie ich meine Laufbahn als Komödiendichter begann, als ich meine Verse zwischen den Ziegen auf dem Hymettos abfaßte. Damals tat ich nichts weiter, als kleine, in sich abgeschlossene Teile auszuarbeiten, die ich dann aneinander anpaßte und zu einer Komödie zusammenstellte. Das ist im Grunde nichts anderes als der Versuch, einen Krug aus den Scherben von sechs verschiedenen Krügen zusammenzusetzen. Ich weiß, daß man so etwas nicht tun sollte. Ein richtiger Dichter fängt mit einer Idee oder einem Thema an und entwirft Charaktere und schafft Situationen, um seinen Einfall zu illustrieren und zu dramatisieren. Ist man hingegen ein Stümper

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