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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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zurück in die Stadt gefreut hätte. Kallikrates sah mir meine Bedenken an und schlug mir sogar vor, mich auf dem Rücken zu tragen – das hätte er wirklich getan, wenn ich ihn gelassen hätte –, aber das war natürlich eine blödsinnige Idee. Was wir dringend brauchten, war ein Pferd oder ein Maultier.
    »Du bist ja nicht ganz bei Trost«, entgegnete Kallikrates, als ich ihm den Vorschlag mit dem Reittier machte. »Ich vergeude doch meine Zeit nicht damit, das ganze Dorf nach unseren Maultieren zu durchkämmen, und außerdem hat Philodemos die wahrscheinlich sowieso mit nach Athen genommen.«
    »Na und? Dann werden wir eben eins kaufen«, schlug ich vor.
    Kallikrates blickte erstaunt drein. »Du willst also mitten auf dem Schlachtfeld haltmachen und ein Maultier kaufen?«
    »Ja«, bestätigte ich.
    »Ach, du meine Güte!« Kallikrates kratzte sich am Hinterkopf, und ich sah deutlich, daß ihm die Worte fehlten. »Hast du Geld dabei?« fragte er nach einer Weile.
    Ich schüttete den Inhalt meines Geldbeutels in die linke Handfläche und antwortete: »Ja, zweiunddreißig Drachmen.«
    »Für zweiunddreißig Drachmen bekommt man kein besonders gutes Maultier.«
    Ich machte mir nicht die Mühe, etwas auf diese Bemerkung zu erwidern. Statt dessen zog ich mich an dem Speerschaft hoch und humpelte zu einer Stelle hinüber, wo ich eine alte Frau neben einem Karren sah. Der Karren selbst war nicht mehr zu gebrauchen – die Achse war gebrochen –, aber davor standen zwei Maultiere, die sich immer noch im Geschirr befanden. Ich betrachtete die beiden Tiere eine Zeitlang und fragte dann: »Wieviel wollen Sie für den kleinen Grauen haben?«
    »Wie bitte?« fragte die alte Frau.
    »Ich möchte das graue Maultier kaufen«, antwortete ich. »Wieviel verlangen Sie dafür?«
    Die Frau runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Da muß ich erst mal meinen Mann fragen.«
    Dann schien sie sich jedoch an etwas zu erinnern und blickte auf den Karren, der von den Reitern umgekippt und dadurch zerstört worden war. Unter einem großen Tonkrug lag der offenbar zu Tode gequetschte Körper eines alten Mannes.
    »Hat wohl keinen Zweck mehr, ihn zu fragen, wie?« meinte die alte Frau, wobei sie sich stark zusammenreißen mußte. »Wieviel bieten Sie denn?«
    »Achtundzwanzig Drachmen«, erwiderte ich.
    »Dreißig.«
    »Abgemacht«, stimmte ich zu und schüttete ihr die acht Vier-Drachmen-Münzen in die Hand.
    »Moment mal!« rief sie plötzlich. »Sie haben mir zuviel gegeben. Das hier sind zweiunddreißig Drachmen!«
    Ich war inzwischen eifrig damit beschäftigt, das Maultier abzuschirren, und entgegnete: »Oh, tut mir leid, aber ich habe es nicht kleiner.«
    Die Frau runzelte die Stirn. »Vielleicht habe ich Kleingeld zum Wechseln dabei.« Sie öffnete den Mund und holte zwei halbe Drachmenmünzen und einen Obolos heraus. »Das sind immer noch fünf Obolen zuwenig«, entschuldigte sie sich.
    »Macht nichts, das reicht«, beruhigte ich sie. Dann zog ich das Geschirr vollends ab und versuchte, mich auf den Rücken des Maultiers zu schwingen, was mir aber nicht gelang. Ohne mir groß Gedanken zu machen, trat ich auf den Karren, um ihn als Sockel zum Aufsteigen zu benutzen, als plötzlich an der Stelle, wo das Trittbrett auf dem Kopf des toten Mannes lag, eine Art Knacken zu hören war. Ich traute mich nicht, mich nach dem Gesichtsausdruck der alten Frau umzublicken, und trat dem Maultier einfach mit dem gesunden Fuß in die Seite und ließ es zu Kallikrates hinübertraben.
    »Fertig?« fragte ich ihn.
    »Ja«, antwortete er. »Ich denke, wenn wir wieder den gleichen Weg nehmen, den wir hergekommen sind, können wir querfeldein nach Thria und von dort aus weiter nach Athen gehen, ohne allzu viele Straßen überqueren zu müssen.«
    Das klang in meinen Ohren ausgesprochen vernünftig, also brachen wir sofort auf. Wir kamen gut voran, ich hoch zu Roß wie ein Edelmann und Kallikrates neben mir an der Seite laufend, und es war beruhigend, rechts von uns in der Ferne das Pamesgebirge zu erblicken. Nach etwas mehr als zwei Stunden befanden wir uns in einem Landstrich, den wir bereits recht gut kannten, da wir nicht weit von einem meiner Grundstücke entfernt waren, das wir erst einen oder zwei Tage zuvor besichtigt hatten.
    »Kallikrates? Warum gehen wir eigentlich nicht lieber zu dem Haus in Phyle als nach Athen?« schlug ich vor. »Da wären wir auch in Sicherheit.«
    »Und wieso?« fragte mein Vetter.
    Ich überlegte kurz und antwortete dann: »Ich

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