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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wie ich, denkt man sich zuerst eine raffinierte, kurze Szene aus, wie zum Beispiel einen Streit zwischen zwei Bäckern, eine große Rede oder einfach einen einzelnen, sehr komischen Witz, und erfindet erst dann eine Geschichte, die man um die Szene herumbaut. Ich bin übrigens nicht der einzige, der das so macht, und ganz im Gegensatz zu Aristophanes wiederhole ich mich wenigstens nicht endlos.
    Die Idee zu diesem ersten eigenen Stück bestand aus einem einzigen Witz, der, wie der Zufall es wollte, aufgrund seiner Unaktualität schon lange vor der Inszenierung gestrichen werden mußte und an den ich mich nicht einmal mehr erinnern kann (ein sicheres Indiz dafür, daß er so komisch nicht gewesen sein konnte). Sobald ich jedenfalls den entscheidenden Einfall, sprich Witz, hatte, wußte ich, wie zwei der Charaktere des Stücks beschaffen sein mußten, und danach schien mir alles nur noch so aus der Feder zu fließen. Als nächstes mußte ich mir Gedanken über das Kostüm des Chors machen, das stets ganz neu und umwerfend komisch sein mußte; wenn man dieses Problem erst einmal gemeistert hat, kann man sich berechtigte Hoffnungen machen, den Preis zu gewinnen, so furchtbar die Dialoge auch sein mögen. Außerdem geht nichts über die Spannung, die man im Theater empfindet, wenn sich das ganze Publikum in den Sitzen nach vorn lehnt, um den ersten Blick vom auftretenden Chor zu erhaschen. Ich habe gehört, es sei praktisch unmöglich, daß zehntausend Menschen gleichzeitig vollkommen still sein können, und das glaub ich gerne; aber das Publikum im Dionysostheater kommt in diesem entscheidenden Moment ziemlich nahe an die Totenstille heran. Danach bricht es entweder in tosende Beifallsstürme aus oder fängt zu murren an, und damit ist die Spannung auf die ein oder andere Art gebrochen.
    Mein Chor war, wenn schon nichts anderes, dann wenigstens originell, da alle Mitglieder als dreirudrige Kriegsschiffe, also als ›Trieren‹ kostümiert waren. Um nicht schon vorher alles zu verraten, nannte ich die Komödie schlicht und ergreifend Die Heerführer. Ich halte nichts von der allgemeinen Lehrmeinung, daß man dem Publikum mit Titeln wie Das vierzehige Kamel oder Die doppelköpfigen Satyrn den Mund wäßrig machen sollte, denn dadurch weckt man beim Publikum nur eine zu hohe Erwartungshaltung, die in Enttäuschung umschlägt, wenn die Zuschauer sehen, was der Kostümbildner tatsächlich zustande gebracht hat.
    An den Anfang meiner Komödie setzte ich eine gute, sichere Eröffnungsszene. Zwei Sklaven sitzen bei Sonnenaufgang vor dem Haus ihres Herrn und lauschen dem merkwürdigen und unerklärlichen Radau, der sich drinnen vollzieht. Das ist zwar nicht besonders originell, aber dennoch die beste Art, ein Theaterstück zu eröffnen – es sei denn, man hat es auf einen wirklich hochkarätigen Auftakt abgesehen –, da sie einen zu nichts verpflichtet und das Publikum nicht allzu deutlich wissen läßt, was als nächstes auf der Bühne passiert. Die Sklaven sitzen also da und ziehen über die häuslichen Probleme bekannter Staatsmänner her, wobei das Getöse im Haus immer lauter und unerklärlicher wird. Die Kunst dabei ist natürlich, genau zu wissen, wie lange man dieses Spannungsmoment aufrechterhalten kann, ohne dem Publikum zu verraten, daß man nur besonders raffiniert vorgehen will (was verhängnisvoll wäre). Schließlich erblickt einer der Sklaven aus den Augenwinkeln heraus die Zuschauer und läßt sich schließlich dazu herab, sie in das Geheimnis einzuweihen.
    Ihr gemeinsamer Herr, sagt er (wie unzählige Sklaven in Komödien vor ihm), sei verrückt. Voll und ganz verrückt. In welcher Hinsicht verrückt? Nun, dem Herrn sei dieser verrückte Einfall gekommen, den Krieg mit einem Schlag zu beenden und die Menschen bis in alle Ewigkeiten zu versorgen, ganz zu schweigen von seiner Absicht, sich selbst zum Truppenführer auf Lebenszeit zu ernennen. Er habe vor, die Flotte zu nehmen und auf den Olymp hinaufzusegeln, um sich die Götter zu Verbündeten zu machen. Da die Flotte Athens nie besiegt worden sei und, wie ein Orakel erst kürzlich verkündet habe, auch nie besiegt werde, könnten ihn nicht einmal die Götter selbst aufhalten. Auf dem Olymp angelangt, werde er Zeus Blitz und Donner abnehmen, dann Sparta dem Erdboden gleichmachen, den persischen Großkönig auslöschen und schließlich mit sich als König des Himmels und mit sämtlichen Bürgern Athens sein neues Pantheon errichten. Nun folgt ein knapper Exkurs

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