Der Ziegenchor
denn?« fragte ich den Mann, der neben mir stand.
»Zur Abwechslung mal nach Samos«, antwortete er und spuckte einen Mundvoll Kichererbsen aus. »Bist du schon mal dagewesen?«
»Nein, noch nie«, antwortete ich.
»Samos ist die Achselhöhle der Ägäis«, sagte er mit rauher Stimme. »Das Ziegenfleisch ist ganz knorpelig, und die Menschen pinkeln in die Brunnen. Die Westküste ist einigermaßen in Ordnung, wenn man nicht anfällig für Fieberkrankheiten ist, aber wahrscheinlich werden wir drüben an der Ostküste landen. In dieser Jahreszeit ist es dort natürlich schlimmer als sonst…«
»Ich heirate heute abend.«
Er warf mir einen bösen Blick zu und spuckte in die Falte seines Chitons. »Dann verschwinde!« forderte er mich in rüdem Ton auf. »Ich will nichts mit dir zu tun haben, wenn du vom Pech verfolgt bist.«
Das war vermutlich der Zeitpunkt, als meine Kopfschmerzen einsetzten. Den Rest des Morgens verbrachte ich damit, meinen Brustpanzer zu reinigen, der oben in den Dachsparren Grünspan angesetzt hatte, und an meinem Helm einen neuen Federbusch anzubringen. Zwar versuchte mir der kleine Zeus zu helfen, aber sein einziger Beitrag bestand darin, seinen Fuß durch meinen Schild zu stoßen. Ich schickte ihn mit dem Schild los, um den Riß flicken zu lassen, und goß mir selbst einen großen Becher unverdünnten Wein ein, was ein Fehler war.
»Jetzt laß den Kopf nicht hängen«, ermunterte mich Kallikrates, während wir versuchten, den Federbusch in den Sockel zu zwängen. »Schließlich gibt es noch die Hochzeit, auf die du dich freuen kannst, vergiß das nicht.«
Meine Hand rutschte ab, prallte mit voller Wucht gegen den scharfen Rand des Bronzesockels und auf das weiße Pferdehaar spritzte überall Blut. »Das vergesse ich jetzt ganz bestimmt nicht mehr«, entgegnete ich unwirsch. »Hast du irgendwo mein Schwertgehenk gesehen?«
»Ich leihe dir meins, das hat ungefähr deine Größe«, bot mir mein Vetter an. »Anscheinend geht es bei dem Einsatz auf Samos nur um das Eintreiben von Steuern. Ich habe mit einem Mann gesprochen, der an der Debatte teilgenommen hat. Ich denke, du wirst in etwa einem Monat schon zurücksein.«
Ich zuckte die Achseln und sagte niedergeschlagen: »Ach, mir ist das völlig egal.«
»Das Wichtigste, woran man auf Samos denken sollte«, fuhr er fort, »ist, die Würste nicht zu essen. Ein Freund von mir – du weißt doch, Porphyrion, der den Hund mit dem verkümmerten Schwanz hat –, der war vor ungefähr einem Jahr auf Samos, als es diesen Ärger gab, und der sagt, die kochen das Blut nicht ordentlich durch, bevor sie es in die Därme gießen. Ansonsten kann man es dort aushalten, allerdings werfen die Frauen andauernd mit Steinen auf einen.«
»Wieso?«
»Ich glaube, die mögen keine Athener. Ist eigentlich schon jemand drüben gewesen, um Phaidra Bescheid zu sagen?«
»Nein«, antwortete ich. »Tust du das?«
Er zuckte mit den Achseln. »Wenn du willst. Ich habe sowieso versprochen, heute morgen irgendwann mit den Köchen vorbeizuschauen.«
Die hatte ich ganz vergessen. Wir hatten für die Hochzeit fünf Köche bestellt, aber einer von ihnen hatte die Ruhr bekommen, was mich auf die anderen vier um so neugieriger machte.
Am Nachmittag begab ich mich in die Bäder und ließ mir die Haare schneiden und parfümieren. Der Barbier sprach ausschließlich über den Krieg, daß er seiner Meinung nach keinen guten Verlauf nehme und irgendwer ein wirklich böses Omen gesehen habe.
»Ich habe gehört«, schrie er über die Schulter hinweg, »daß letzte Nacht, als die Wache die Schlüssel übergeben hat, wie aus dem Nichts diese gewaltige Schlange aufgetaucht ist. Sie soll dick wie ein Armgelenk gewesen sein und eine Art olivgrüner Haut gehabt haben, hat man mir erzählt, und sich um den Schlüssel gewunden haben. Also, wenn man mich fragt…«
»So ein Unsinn!« unterbrach ihn ein Mann aus dem Hintergrund des Ladens. »Also, wenn sich der Schlüssel komplett um die Schlange gewunden hätte, das wäre ein Omen.«
Der Barbier beachtete ihn nicht. »Der Schlüssel steht offensichtlich für die Gruppe, die sie nach Samos schicken. Das ist logisch.«
»Wieso das?«
»Zeig deine Unwissenheit doch nicht so!« bat der Barbier und schabte einen Fleck Grünspan von der Rasiermesserklinge. »Der derzeit führende Mann auf Samos heißt Drakon – ›die Schlange‹ –, stimmt’s? Dieser Drakon wird unsere Jungs einkreisen und in den Boden stampfen.«
»Dazu gibt es einen
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