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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Orakelspruch«, mischte sich ein anderer Mann ein. »Die Schlange wird die Eule in die Krallen beißen, und die Hochzeitsfackeln werden einhundert Begräbnisse beleuchten.«
    »Welche Hochzeitsfackeln?« fragte der Barbier. »Ich glaube eher, man hat einfach irgendeine alte Geschichte zu dem Spruch hinzugefügt, nur um ihn ins richtige Versmaß zu bringen.«
    Als ich nach Hause kam, stritten sich gerade die Fackelträger mit den Flötenspielerinnen, und der kleine Zeus war mit meinem Schild zurück. Über den Riß war eine riesige Platte aus neuer Bronze genietet worden, besser hatte man das anscheinend in solch kurzer Zeit nicht reparieren können.
    »Es ist nur zum Guten, wenn du mich fragst«, sprach der kleine Zeus in Rätseln. »Soll ich dir dein Schwert schärfen, oder kann ich weiter meine Sachen packen?«
    »Wo willst du denn hin?« fragte ich.
    »Dich begleiten, natürlich. Als Schildträger. Schließlich hast du als Mitglied der Reiterklasse Anspruch auf einen Schildträger. Danach habe ich mich unten in der Schmiede erkundigt.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde war ich gerührt. Dann fielen mir wieder die zehn Morgen Land ein, und ich sagte verdrossen: »Pack die Verpflegung zusammen und steck reichlich Käse ein.«
    Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang begann ich am ganzen Körper zu zittern und trank einen weiteren Becher unverdünnten Wein. Als ich feststellte, daß meine linke Beinschiene zu eng war, verbog ich beim Versuch, sie zu öffnen, die Spangen. Während ich mich mit der Schiene abmühte, kam Philodemos herein und fragte, ob ich schon mein Testament aufgesetzt hätte.
    Kurz darauf hörte ich die Flöten auf der Straße; die Braut wurde gebracht. Auf einmal wurde ich von einer Art panischer Angst ergriffen. Man sang die Hochzeitshymne, aber aus irgendeinem Grund klang sie kraftlos und klagend, und ich entsinne mich, daß ich hoffte, der Zug möge zum nächsten Haus weiterziehen.
    Kallikrates steckte den Kopf zur Tür herein. »Um Himmels willen, bist du immer noch nicht fertig?« rief er. »Ich sage denen lieber, daß sie ein bißchen langsamer machen sollen. Setz schon mal deinen Kranz auf, ja? Und versuch bitte, aufmerksam auszusehen.«
    Ich zog meine neuen Sandalen an und fummelte an den Riemen herum. In meinem Kopf schienen kleine Kyklopen Blitze zu schmieden, und mir war speiübel. Beim Gedanken ans Tanzen lief es mir eiskalt über den Rücken. Im Innenraum hörte ich Philodemos mit den Frauen streiten, es ging um irgendeinen Trottel, der die falschen Blütenblätter aufs Hochzeitsbett gestreut hatte, und darum, wer auf die glänzende Idee gekommen sei, die Tagesdecke mit der Abbildung von Pentheus und den Bakchen aufzulegen. Ich stand auf und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. »Holt sofort diesen Trottel von Neffen hierher!« brüllte Philodemos. »Ich wünschte bei Zeus, ich wäre heute morgen im Bett geblieben.«
    Der Gestank brennenden Harzes von den Fackeln drehte mir den Magen um, und ich wollte irgend jemanden schlagen, aber alles zu seiner Zeit und am rechten Ort. Also taumelte ich zur Vordertür und bemühte mich verzweifelt, ein Lächeln aufzusetzen. Irgendwie klappte das nicht. Ich glaube, die Zähne waren mir im Weg.
     
    Mit solch einem Hymenaios-Lied
    Geleiteten Moiren kokett
    Den Herrscher der Himmel, im Zenit,
    Den König der Götter, zum Bett
    Von Hera, der prächtigen Braut…
     
    Ich hatte sie ausdrücklich darum gebeten, gerade diese bestimmte Hochzeitsode nicht zu singen, aber möglicherweise war das die einzige, die sie kannten.
    Ein bißchen was Melodisches, mußten sie sich gesagt haben, bei dem jeder mitsingen kann…
     
    Und Eros mit Schwingen aus Gold
    Kam herab zur Stätte des Heus,
    Weil er sich gerne anschau’n wollt’
    die Hochzeit von Hera und Zeus…
     
    Die war, wie Ihnen jedes Kind bestätigen kann, nicht gerade von Erfolg gekrönt, da sich Zeus mit Vorliebe in Schwäne und goldene Regen verwandelte, während Hera es vorzog, sämtliche Lieblingsstädte ihres Göttergatten von bösen Plagen heimsuchen zu lassen. Ich rückte meinen Kranz zurecht; aber ich kam mir nicht wie ein Bräutigam, sondern eher wie ein Opfer vor. Wer bietet dieses Lamm zum Schlachten dar? Und warum, in Zeus’ Namen, hatte ich dieses Gefühl?
    Dann erblickte ich Phaidra, die von ihrem Vater geführt wurde, und sie sah wie das von Skythines gemalte Bild von Galateia aus, das im Hephaistos-Tempel hängt, gleich links, wenn man hereinkommt. Sie wissen ja, wie Galateia gerade

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