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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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an ganz Samos auf den Fersen hätten, und wollte von mir wissen, was ich mir eigentlich dabei gedacht hätte. Irgend jemand zog den Speer aus der Leiche, wischte ihn im Gras ab, gab ihn mir zurück und sagte: »Da hast du uns ja was Schönes eingebrockt.« Um mich herum wurde noch viel Lärm um die Leiche gemacht, und eine Zeitlang standen alle nur da und diskutierten, ob wir sie mit ins Dorf hinunternehmen oder für die Falken und Krähen liegenlassen sollten. Schließlich kamen wir darin überein, als eine Art förmliches Begräbnis Sand auf das Gesicht des toten Samiers zu streuen und den Dorfbewohnern zu berichten, wo er lag, falls jemand die Leiche bestatten wollte.
     
    Folglich bekamen wir in Astypylaia keine Steuergelder. Von dort aus zogen wir zu einem anderen Dorf – an den Namen kann ich mich nicht mehr erinnern –, wo man uns genau den gleichen Streich zu spielen versuchte, nur behauptete man dieses mal nicht, daß das Geld von Räubern aus der Umgegend gestohlen worden sei, sondern von milesischen Piraten.
    Der Taxiarchos hörte sich das hervorragend vorgetragene Märchen in aller Ruhe an und zog sich wie zuvor in Astypylaia mit dem Dorfobersten in dessen Haus zurück. Draußen auf der Straße konnten wir nur ein paar dumpfe Schläge und Gewinsel hören, doch als die beiden wieder herauskamen, rieb sich der Dorfoberste die Ohren, und der Taxiarchos grinste siegesgewiß. Am Ende bekamen wir fünf Minen, das waren drei weniger als der eigentliche Steuerbetrag, allerdings war das auch alles Silber, das wir finden konnten.
    Danach stießen wir bei unserem Gang rund um Samos auf eine andere Form der Behinderung. Statt mit betonter Freundlichkeit und zähen, aber kostenlosen Ziegen für unser Abendessen wurden wir mit verriegelten Türen und Stein- und Scherbenhageln empfangen, wann immer wir in ein Dorf kamen. Es war offensichtlich, daß die Samier uns erwarteten; sobald wir nämlich in eins ihrer Häuser eingebrochen waren, mußten wir feststellen, daß sämtliche Wertgegenstände entfernt worden waren. Unser Taxiarchos (der schnell dazulernte) begriff, daß es offenbar keine Hoffnung gab, unsere Schritte geheimzuhalten oder irgendwo unerwartet aufzutauchen, und deshalb dachte er sich eine andere und bessere Möglichkeit aus.
    Vor dem nächsten Dorf, das wir erreichten, sandte er uns aus, um den Dorfobersten festzunehmen, den wir unter einem umgedrehten Gerstekrug in seinem Haus versteckt fanden, und ihn auf dem Marktplatz auf einen behauenen Felsstein zu setzen, der als Steighilfe für Reiter diente. Dann erklärte er ihm eindringlich und lautstark, es hänge ihm allmählich zum Hals heraus, diese gottverdammte Insel zu durchstreifen, um irgendwelches Silber aufzutreiben, das offenbar verzaubert sei. Deshalb habe er sich nun entschlossen, just in diesem Dorf zu bleiben und dort so viel zu essen und zu trinken, wie ihm beliebe, und seine Männer aufzufordern, dasselbe zu tun, bis es an der Zeit sei, nach Hause zu fahren. Wie er hinzufügte, werde er seine Männer zum Zeitvertreib mit dem Bau einer kleinen Gedenkstätte beauftragen, die an unseren Aufenthalt erinnern sollte. Sobald diese Gedenkstätte fertiggestellt sei, werde er sie persönlich dem Glück von Miletos weihen, im Gedächtnis an einen wenig bekannten milesischen Helden, der hier durch samische Hand getötet worden sei, als ein paar Fürsten von Miletos das Dorf vor etwa zehn Generationen geplündert hatten. Da er aber kein angeberischer Mensch sei, werde er sich nicht selbst als Setzer des Grundsteins nennen. Statt dessen werde er in ihn die Namen sämtlicher Dörfer, die er besucht habe, einmeißeln lassen und einen Boten in die Großstädte von Samos schicken, um alle frommen Männer aufzufordern, die Gedenkstätte aufzusuchen und dort die Götter zu verehren. Schließlich erhob er sich, als hätte er seine Darlegung beendet. Dann drehte er sich noch einmal um und fügte mit betont sachlicher Stimme hinzu, daß, falls plötzlich durch irgendein Wunder die Tributgelder aus den Dörfern doch noch eintreffen sollten, er so mit dem Überprüfen der Zahlungen und dem Aufstellen von Listen beschäftigt sei, daß er keine Zeit mehr für sein heiliges Bauvorhaben habe und die anderen Samier von dem religiösen Eifer ihrer Mitbürger wahrscheinlich niemals etwas erfahren würden.
    Am nächsten Morgen erwachten wir aus einem tiefen Schlaf, der eigenartigerweise weder von streunenden Hunden noch durch mysteriöse Steinschläge oder plötzlich

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