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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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einer entdeckte ich eine Urkunde: Ich war Träger des Vaterländischen Verdienstordens. In Silber! – Ich hatte es immer gewußt. Ich weinte vor Glück. Ich wollte Julia anrufen. Aber ich fand ihre Nummer nicht. Da wußte ich plötzlich, daß Julia dieselbe Nummer wie der Zahnarzt hatte. Da ließ ich es lieber sein. Außerdem schien mir das weitreichende Konsequenzen zu haben. Mir war auch so, als hätte mich Julia schon einige Male mit dem Orden ertappt, im Bad.
    Ich wunderte mich nur, daß die Mappen vor lauter Eilbriefen überquollen. Sie mußten dort schon jahrzehntelang liegen. Ich wollte sie nun wenigstens in den Mülleimer einstecken. Insofern kam ich richtig in Schwung. Es war jetzt 18 Uhr, Zeit für ein zweites Frühstück. Also, ab in die Küche! Dort traf ich Dr. Redlow. Er trug ein weitausgeschnittenes Unterhemd und stand hinter dem Kühlschrank. Als er mich sah, sagte er in meine Richtung, aber nicht zu mir: ›Jeder Arzt sagt: Lieber mehrere kleine Mahlzeiten als eine unmäßig große.‹ Dabei lächelte er windschief. Ich wußte, Dr. Redlow ist bekennender Sittenstrolch. Deshalb nahm ich mir vor, nicht auf seinen Rat zu hören. Es konnte eine Falle sein. Auf eigene Faust funzelte ich mit der Taschenlampe im Innern des Kühlschranks herum. Seine Ausmaße waren unbeschreiblich. Eine riesige weiße Tropfsteinhöhle. Ich wandte mich erschüttert ab. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Tütensuppe. Sie schmeckte prima. Ich wunderte mich allerdings, daß sie ohne Wasser gekocht worden war.(Wahrscheinlich eines von Dr. Redlows Patentrezepten!) Es knirschte zwischen meinen Zähnen. Ich konnte aber nichts dazu sagen. Außerdem war Dr. Redlow hinter der Kühlschranktür verschwunden. Ich dachte noch: er wird doch nicht in meinem Hobbyraum sein … Der Mond schaute zum Fenster herein; ich schaute hinaus. Dann war ich auf der Straße. Sie war leer, aber taghell beleuchtet. Ich nahm mir vor, nun doch öfter nachts spazierenzu-gehen. Es war eine Freude! Da fiel mir ein, daß ich irgend etwas einkaufen sollte. Aber was? Das hatte ich vergessen. Ich biß die Zähne zusammen und ging weiter. Da war ein Haus. An dem Haus ein Spiegel. Ich warf einen prüfenden Blick hinein, ich versuchte zu lächeln … Ein grausiger Fund: Keine Zähne mehr im Mund!«
    Vom Knirschen meiner Zähne erwachte ich.
    Wach auf, Verdammter dieser Erde! rief meine innere Stimme mir zu, wach auf – und schon war ich auf, noch etwas schlaftrunken. Ich stellte das Radio an und schüttelte mir mit gymnastischen Übungen den Schlaf aus den müden Knochen.
    Gegen vierzehn Uhr verließ ich, rasiert und verkleidet, mit meinem schwarzen Aktenkoffer in der Hand, die Wohnung.
    Strüver war schon da. Er saß draußen, vor dem Café, wo wir verabredet waren, unter einem Sonnenschirm. Er blätterte in einer dicken Zeitung. Als er mich kommen sah, ließ er die Zeitung sinken, erhob sich halb, schüttelte mir die Hand: »Na, wie geht’s?«
    Ich nickte. – (Sonst, wenn ich zufällig irgendwo einen alten Bekannten traf, hatte ich mir ja angewöhnt, auf die Frage »Wie geht’s?« gleich ein forsches »Und selber?« zurückzuschießen. Das befreite mich von allen Selbstdarstellungszwängen und sicherte mir im weiteren die Rolle des stummen Zuhörers. – Aber so gut kannte ich Strüver damals noch nicht.)
    Inzwischen hatte Strüver eine Tasse Kaffee für mich bestellt (»Doch, doch, spendier ich Ihnen.«). Ich wollte zwar nicht, aber ebensowenig wollte ich Strüver offenbaren, daß ich eben erst aufgestanden war und gefrühstückt hatte.
    Dann kamen wir, ohne langes Vorspiel, zur Sache. Aus der Zentrale hatte Strüver die Adressen einiger Berliner Stammkunden mitgebracht, alles ausschließlich Westteil. Hier war »Kundenpflege« zu betreiben, das konnte man aber auch nebenbei mit erledigen.
    Vor allem jedoch – Strüver sah mich fest an – gehe es jetzt darum, Neuland zu erschließen. Ob ich mir denn da schon mal Gedanken gemacht hätte?
    Ich klappte meinen Aktenkoffer auf und reichte ihm über den Tisch einige »Kundenlisten«, noch aus alten KWV – Beständen. Strüver nahm sie entgegen, begann auf der ersten Seite sich festzulesen, dabei ruckte er mehrfach ungläubig den Kopf – dann blätterte er rasch die übrigen Seiten durch.
    »Donnerwetter!« Mehr sagte er nicht. Mit unschlüssiger Bewunderung sah er mich an.
    Es waren vollständige Mieterverzeichnisse mehrerer Straßenzüge. (Mein alter Zuständigkeitsbereich!) Neben den Namen:

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