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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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sehr dankbar. Die ganze Zeit nämlich hatte ich mir vorstellen müssen, in welchem Zustand wir beide mich vor ein paar Monaten zu Hause angetroffen hätten. Vielleicht ein ähnliches Bild? Und als Zugabe noch Freitag! Das wollte ich gar nicht zu Ende denken …
    Auch die weitere Bilanz dieses Nachmittages sah nicht gut aus. Im selben Haus unten, Parterre, ein Mann im Unterhemd, der schon nach dem ersten Klingeln in der Tür stand. Er litt unter Wölbungen. Aus dem ergrauten Haar wölbte sich ein nackter Kugelkopf auf, der runde Bauch wölbte das Unterhemd vor. Ehe wir überhaupt etwas sagen konnten, schüttelte er schon den Kopf: »Ich unterschreibe schon mal gar nichts mehr.«
    Er sah uns lauernd an.
    »Und wenn wir für Sie nun einen Sechser im Lotto hätten, Herr … (Strüver fischte schnell den Namen vom Klingelschild) … Herr Heinrich, mh?«
    »Gar nischt unterschreib ick, basta.«
    Und damit war die Tür zu.
    Etwas weniger abrupt, aber ebenso erfolglos, endete unser Versuch Parterre Nebenhaus. Ein Rentnerehepaar. Sie erschienen beide in der Tür, aber nur die Frau verhandelte mit uns. Der Mann stand hinter ihr. Von dort aus, hinter ihrem Rücken, sandte er uns Zeichen zu. Immer, wenn die Frau etwas sagte, kommentierte er es entwedermit einem entschuldigenden Blick oder auch mit Augenverdrehen und ganz sonderbaren Grimassen. Es sah aus wie Taubstummensprache. Dann ging die Frau. Nun wandte auch er sich zum Gehen um, gab uns aber, bevor er die Tür schloß, zum Abschied schnell die Hand – wie unter Verschwörern.
    »Herbert!« rief es aus dem Innern der Wohnung. Herbert also winkte zwar ab, schloß aber sofort leise die Tür.
    Strüver sah mich an – ein Blick wie von Julia! Kurz hingeworfen, aber mit Langzeitwirkung … Als sei ich für meine Landsleute haftbar!
    Ich spürte auf einmal eine starke innere Anspannung. Deshalb wandte ich mich schnell zur Seite und machte eine der für diesen Fall empfohlenen Lockerungsübungen: Ich drückte beide Augen fest zu, ganz fest, lockerte meinen Unterkiefer und ließ ihn rasch von einer Seite zur anderen gleiten … Wichtig dabei war: ganz ruhig zu atmen.
    Es half! Schon nach kurzer Zeit entspannten sich meine Gesichtszüge, wohltuende Wärmewirbel unter der Haut. Ich versuchte, zu lächeln: ja, ich konnte wieder lächeln, breit und gewinnend. Dankbar hielt ich die Augen geschlossen, der Mund stand halboffen …
    Da spürte ich Strüvers Hand auf meiner Schulter. Von fern hörte ich seine Stimme: Ob mich das alles denn sehr mitgenommen habe? Ich sollte es mir nur ja nicht so zu Herzen gehen lassen, manchmal habe man eben einen schwarzen Tag … Herr Lobek!
    Ich schlug die Augen auf – Strüver beobachtete mich mit wissenschaftlichen Blicken. Ich glaube, er wollte auch, daß ich mich hinsetzte, gleich auf die Treppenstufen.
    Rasch schüttelte ich den Kopf. Von mir aus konnte esjetzt weitergehen. Zur Bekräftigung und um etwas zu sagen, sagte ich, oder versuchte ich zu sagen, wobei ich allerdings Schwierigkeiten hatte, das Wort ganz über die Lippen zu bringen (denn noch war ich viel zu erregt und blieb bei den ersten Malen jeweils bei »Topf-« hängen) – – – »Top-fit«, endlich, ich hatte es herausgebracht. Ich nickte bekräftigend. Strüver aber schüttelte den Kopf. Schluß, entschied er, Schluß für heute.
    Zum Glück hatten wir noch, rein routinemäßig und um dieses Haus abhaken zu können, an der Tür gegenüber geklingelt. »Mario Kohlmey« stand auf einem großen Messingschild, direkt unter dem funkelnden Auge des Türspions. Eine junge Frau öffnete. Als Strüver seinen Psalm heruntergebetet hatte – inzwischen, wie ich fand, doch schon ein bißchen lustlos –, nickte sie und sagte: »Das macht alles mein Mann.« Strüver hakte nach. Es stellte sich heraus, daß Herr Kohlmey Chef einer Computerwerkstatt war. Frau Kohlmey gab uns seine Geschäftskarte, ja, sie würde ihm Bescheid geben, morgen, gegen Mittag, könnten wir ihn in der Firma antreffen.
    Als wir im Auto saßen, spann Strüver schon die Fäden für das Gespräch mit Kohlmey. Das könnte ein Großauftrag werden! Er spielte verschiedene Eröffnungsvarianten durch. Dabei redete er sich richtig in Rage. Eine schwedische Studie zum Beispiel hatte ergeben, daß die Arbeit am Computer, der starre Blick auf den Bildschirm, vermehrt zu Bindehautentzündungen führt. Kämen noch Kopiergeräte hinzu, wäre die dadurch bedingte geringe Luftfeuchtigkeit ein durchaus ernsthaftes

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