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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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Daraus ließ sich das Geschehen etwa folgendermaßen rekonstruieren: Der Hund mußte auf den Abwaschtisch gesprungen sein, um an den mit Wasser gefüllten Topf zu gelangen. Bei dieser Gelegenheit war offensichtlich die Ketchupflasche zu Boden gegangen. Wahrscheinlich beim anschließenden Absprung hatte er dann der Vollständigkeit halber noch den Topf mit in die Tiefe gerissen, worauf sich Ketchup, Wasser und Spaghettireste inder oben beschriebenen Weise miteinander vermischt hatten.
    Infolge dieser sich überstürzenden Ereignisse hatte der Hund sich wohlweislich unter den Tisch zurückgezogen, nicht ohne vorher noch – das war überhaupt der Punkt aufs i – seine Notdurft mitten im Chaos verrichtet zu haben.
    Fassungslos, aber mit eisiger Entschlossenheit, verließ ich die Trümmerstätte. Nicht mit mir!
    Sicher – ich hatte vergessen, dem Terrortier Freitag Futter und Wasser hinzustellen. Das konnte man, wenn man denn wollte, als mildernden Umstand für ihn ins Feld führen. Ich wollte aber nicht. Und ich würde sowieso alles auf ihn schieben. Es war ja ohnehin schon zu spät. Jeden Moment mußte Julia kommen. Unmöglich, bis dahin noch mit irgendeinem sichtbaren Erfolg die Aufräumungsarbeiten zu beginnen.
    Ich saß also, die Arme verschränkt, im Hobbyraum und harrte der Dinge. Mein niedergeschlagener Blick ruhte auf den Ausarbeitungen zum Thema Einwandbehandlung … Merksatz 1: »Bereiten Sie sich auf alle denkbaren Einwände vor. Dadurch gewinnen Sie die nötige Sicherheit.« –
    Die Wohnungstür ging. Aha, es ging los.
    »Hallo! Ich bin da.« Hallo, knurrte ich lautlos zurück. Freitag, noch immer in der Küche, antwortete ausweichend.
    Julia ging durch den Flur. Das Klopfen ihrer Absätze, plötzlich kam es zum Stillstand. Stille in der Wohnung, Stille im ganzen Weltall – nur mein Herz klopfte.
    »Blutorgie« war eines der ersten Worte, das durch das schweigende All auf mich zuraste, »Blutorgie« noch einmal, dann andere Wörter, ebenfalls aus der Blutorgie-Richtung … Wir näherten uns hier Merkpunkt 2 der Einwandbehandlung: »Betrachten Sie die Einwände als willkommenen Wegweiser für das weitere Gespräch.«
    Den Geräuschen nach zu urteilen, hatte sich Julia inzwischen davon überzeugt, daß Freitag alias Hasso nichts Ernsthaftes zugestoßen war. Nun würde sie also ihre ganze Aufmerksamkeit mir zuwenden … »Blutorgie« jedenfalls wollte und konnte ich nicht auf mir sitzenlassen. Das war – Julia mußte es längst erkannt haben – eine maßlose Übertreibung! Dennoch, Merksatz 3, Einwandbehandlung, bremste mich: »Nehmen Sie jeden Einwand ernst. Ihr Kunde wird sich ja irgend etwas dabei denken.«
    »Ich denke, ich ticke nicht richtig!« – In der offenen Tür: Julia, im offenen Mantel (letzterer drückte wahrscheinlich ihre Bereitschaft aus, unter Umständen sofort die Wohnung zu verlassen).
    Sie habe für alles, wirklich für alles Verständnis; aber nicht dafür, wenn sie abends todmüde nach Hause komme, hier ein Schlachtfeld vorzufinden. Ob ich mir schon mal überlegt hätte … »Unterbrechen Sie Ihren Kunden nicht. Sie könnten sonst wichtige Hinweise verpassen. Haben Sie Geduld!« riet Punkt 4 an dieser Stelle. Ich versuchte es. Doch ich muß sagen, es regte mich wahnsinnig auf, daß Freitag – immerhin auf eindeutig roten Ketchuppfoten! – neben Julia stand und die ganze Zeit mit einer unbeschreiblichen Unschuldsmiene zu mir herübersah, als hätte er mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun.
    »Also, wenn ich auch mal was sagen darf …«, wollte ich mich nun in das bislang ziemlich einseitig geführte Gespräch einschalten, dies allerdings äußerst vorsichtig und behutsam, immer eingedenk der Botschaft vonMerksatz 5: »Treten Sie nicht als ›Besserwisser‹ auf. Kunden mögen so etwas nicht. Sie sicher auch nicht …«
    Nein, das ist wahr. Und ich wollte das ja auch nur in Ruhe klären. Doch ich kam gar nicht dazu, anhand nachweisbarer Tatsachen meine vorbereitete Argumentationskette folgerichtig zu entrollen – mir schwebte etwas in der Art »unglückliche Verkettung von Umständen« vor –; Julia unterbrach mich, ununterbrochen. Ihr brennendes Interesse schien sich auf einmal einzig und allein an einer Frage entzündet zu haben; was ich mir dabei gedacht hätte.
    Dabei, das war gar keine Frage. Julia fragte es mit Ausrufezeichen! Eine Antwort jedenfalls schien sie ernsthaft nicht zu erwarten. Denn sobald ich den Mund aufmachte, stieß sie erneut, nur

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