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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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oder wollte es zumindest, doch das tat weh; also stand ich auf, warf mir den Bademantel über, schlurfte hinaus. Stand trostlos am Küchenfenster und sah durch die Scheibe auf die trostlose Neubaulandschaft draußen – grau in grau, seit dem frühen Morgen regnete es eigensinnig. Sogar der Himmel zog heute über mich her.
    Gerade in den letzten Wochen hatte sich Strüvers Verhältnis zu mir so grundlegend verändert! Uwe, wie ich Herrn Strüver ja seit kurzem nennen sollte, war sehr aufmerksam, richtig nett, mir gegenüber.
    Wenn es früher manchmal vorgekommen war, daß er einfach gesagt hatte: So und so machen wir das – fragte er mich jetzt immer vorher, achtete auf jede noch so kleine Äußerung von mir, jeder Nebensatz von mir schien ihm wichtig und von außerordentlicher Bedeutung zu sein. Ich war, gerade auch wegen der Trennung, sehr empfänglich dafür und – genoß es!
    Es ist, glaube ich, nicht übertrieben, wenn ich von gegenseitiger Zuneigung spreche.
    Natürlich, es gab bisweilen auch Unstimmigkeiten. Wo bleibt das aus? Einmal, ein verkaufsoffener Donnerstagabend, wir waren an einem vorweihnachtlich geschmückten Buchladen vorbeigekommen, verwundertesich Strüver darüber, daß im Schaufenster so zahlreich Memoirenbände aufgebaut waren. So viel, wie da geschrieben stand, meinte er, könne ja niemals wirklich und mit rechten Dingen erlebt worden sein.
    Wir gingen, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, weiter. Ich für meinen Teil zum Beispiel dachte: Na ja.
    Plötzlich hielt Strüver inne: »Höchstens, wenn einer ein Doppelleben führt – der hat doch sicher Stoff genug! Sogar für zwei Bände!«
    Wir mußten lachen.
    »Oder auch nicht!« wollte ich feixend noch einen draufsetzen. Da hörte Strüver von einem Moment zum anderen plötzlich auf zu lachen und nickte mir tieftraurig zu. Mir schien, er hatte etwas vor mir zu verbergen, ein Geheimnis, das ihn bedrückte. Doch ich wollte nicht nachforschen, unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen, obwohl ich schon da die dunkle Ahnung hatte, daß es auch mich betreffen könnte.
    Wenig später sollte ich es, höchst unfreiwillig, ohnehin erfahren …
    In dieser Zeit hatte Strüver nämlich begonnen, sich sehr auffällig für mein Privatleben zu interessieren. Zuerst fand ich nichts weiter dabei. Im Gegenteil, so viel Aufmerksamkeit und Anteilnahme – das war ich gar nicht mehr gewöhnt; das tat mir gut. Zwar umging ich es immer wieder geschickt, die längst fällige Einladung zu uns nach Hause auszusprechen (was hätte das wohl werden sollen!), andererseits tat er mir natürlich auch leid, daß er dauernd da in diesem Hotel herumlungern mußte.
    Seine fortgesetzten Erkundigungen nach meinem Zuhause, nach meiner Familie, meiner Frau (!) hätten mich selbstverständlich mißtrauisch machen müssen …
    In einem schwachen Moment – ich glaube, wir sprachengerade darüber, daß die selbstgebastelten Weihnachtsgeschenke bei weitem alle gekauften überträfen – gestand ich ihm aus einem plötzlich erwachten Mitteilungsbedürfnis heraus meine stille Leidenschaft – die Laubsägearbeiten.
    Das hätte ich nicht tun sollen! Daran hakte er sich fest. Er selbst, so behauptete er nun von sich, sei ein fanatischer Bastler. (Ich füge schon hier ein: das entsprach keineswegs den Tatsachen!) Sobald sich Gelegenheit dazu ergab, aber auch sonst, kam er darauf zurück, als gäbe es für ihn kein anderes Thema mehr auf der Welt. Er gab sich den Anschein, davon geradezu besessen zu sein. Als er schließlich noch von der Existenz meines Hobbyraums Wind bekommen hatte – ich war so unvorsichtig gewesen, gewisse Andeutungen in dieser Richtung zu machen –, gab es kein Halten mehr: Ob wir denn nicht mal gemeinsam basteln sollten, nach Feierabend?
    Dagegen war zwar schlecht etwas vorzubringen, Weihnachten stand vor der Tür, aber … Strüver ließ nicht locker, drang immer weiter in mich: Was denn zum Beispiel meine Frau dazu sagen würde? Ich sagte, um das Thema schnell hinter mich zu bringen: »Kein Problem. Sie toleriert das. Wir führen eine moderne Ehe.« – Ich mußte schlucken dabei.
    Der bestimmte Abend, den ich also nicht abzuwenden vermocht hatte, dämmerte heran. Punkt acht klingelte es, stand Strüver vor der Tür. Mit einem Blumenstrauß, »für die Dame des Hauses«.
    Ich erklärte ihm klipp und klar (das hatte ich mir nämlich vorher schon zurechtgelegt), daß meine Frau leider kurzfristig auf Dienstreise sei, aber wir könnten es uns ja

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