Der Zimmerspringbrunnen
meines Protestes, ein zweiter, noch viel schärferer – und zwar mit der Erklärung versehen: »Das brauchst du, ja, nicht wahr, das tut dir gut«; wie ich mich irrsinnigerweise an meinem Karton festklammerte, um den ich aus irgendwelchen Gründen am meisten fürchtete; wie er mir mit der abenteuerlichen Behauptung »Was haben wir denn da für eine kleine süße Sauerei?« entrissen werden sollte; wie ich es aber nicht zuließ und ihn, als gälte es mein Leben, verteidigte. Wie ich, wohl nicht ganz zu unrecht, immer wieder »Das ist ja die Höhe!« ausrief. Wie mein erbitterter Widerstand Frau Manuela aber nur zu neuen Taten anstachelte! Kein Sterbenswort auch von den anderen Strafmaßnahmen, die durch mein »Nein« und »Lassen Sie mich doch endlich!« nur angefeuert wurden, so daß ich zeitweise jeden Widerstand aufgab und, ganz schwach auf einmal, alles stöhnend über mich ergehen ließ. Wie ich ihre plötzliche Frage, ob es mir denn nicht gefallen würde, trotzig unbeantwortet ließ. Wie schließlich die in höchster Not mir eingekommenen Worte »Gewerbeaufsicht« und »Polizei holen« Frau Manuela zum Stillstand und zur kurzzeitigen Besinnung brachten.
Eine Verschnaufpause, die ich umgehend zur längst überfälligen Klarstellung meiner Anwesenheit nutzte.
Wie sie sich den Mantel sofort wieder umschlang und wir uns schwer atmend und ratlos gegenüberstanden – eine, wie sie versicherte, noch nie dagewesene Situation, und: Das sei ihr aber unglaublich peinlich. Wie sie auf einmal lachen mußte, ich aber gar nicht.
Wie sie dann wieder ernst wurde: ein Teil der Leistung war schließlich erbracht … Ja, zweifelsohne! Wie ich, um dem ganzen nur ein Ende zu machen, 100 Mark (ein Viertel meiner Jüterborg-Einnahmen!) aus der Brieftasche riß. Wie ihr plötzlich Zweifel kamen, ob das nicht alles bloß ein Trick gewesen sei – und ich ihr darauf nur einen Vogel zeigen konnte. Wie ich endlich, heilfroh, aus dem Zimmer schritt …
Auf Socken! Was ich allerdings erst im Flur merkte. Worauf ich also, immer noch auf Socken, zurückging und Frau Manuela meine Schuhe abnahm, die sie mir gerade hatte hinterhertragen wollen.
Wie ich dann schwer keuchend am Auto stand, den Kopf aufs kalte, regennasse Blechdach drückte und nicht wußte, wie ich Freitag heute abend in die Augen sehen sollte … Das Anlegen einer Hundeleine immerhin – das hatte ich, obwohl es mir mehrfach nahegelegt worden war, standhaft und knurrend (denn ich war ja zwischenzeitlich auch noch geknebelt worden!) abgewehrt.
Nachgetragenes dazu, freilich in zittriger Handschrift, im Protokollbuch unter dem Datum desselben Tages. Aufgeschrieben nachts; ich saß in Unterhosen auf dem kühlenden Wannenrand, das Protokollbuch lag auf der Waschmaschine. Ich hatte mir weißen Wundstreupuder über den geschundenen Rücken gestreuselt und ließ es wirken: »Bin zwar allen erdenklichen Abartigkeiten von ganzem Herzen aufgeschlossen, und darf von mir sagen: ich bin ein moderner Mensch – aber: daß man nach Lust & Laune für nichts und wieder nichts (beziehungsweise für 100 Mark = ein Viertel der Jüterbog-Einnahmen) hemmungslos verkloppt wird – das will mir nicht in den Kopf. Nein Danke! Nicht mit mir! – Klappe zu, Affe tot.«
In dieser Nacht fehlte mir Julia sehr.
Am nächsten Morgen – der langsam erwachende Körper erinnerte sich bruchstückhaft der ihm zugefügten Streiche, der erlittenen Pein. Auch ich kam langsam wieder zu mir, obwohl ich im Moment nicht genau wußte, wohin das eigentlich war …
Als ich schließlich Körper und Geist wieder halbwegs zusammen hatte und meine sieben Sinne notdürftig sortiert, wußte ich: Ich kann heute nicht aufstehen. Vor Schmerzen hielt ich es kaum aus in meiner Haut. Nur einmal, ganz kurz, lüpfte ich die Bettdecke und warf einen Abschiedsblick auf meine lebenden Überreste. Dann sank ich wieder stöhnend ins Kissen zurück.
Ich blieb, obwohl mir auch das Liegen wehtat, bis Mittag im Bett. Der einzige Gedanke, zu dem ich fähig war und um den alles, auch ich!, kreiste: alles hinschmeißen, Schluß. Schluß-aus.
Es ningelte das Telefon, denn Klingeln konnte man das nicht nennen. Lieber Gott! Laß das jetzt bitte, bitte nicht Julia sein. Aber sicher war es ja Strüver …
Es war Boldinger. Der Chef. Selbst.
Ich richtete mich im Bett auf.
Er sagte mir, daß er ganz außerordentlich froh über meine Arbeit sei und daß er ganz außerordentliche Sachen über mich gehört habe. »Kollege
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