Der Zirkel Des Daemons
zur Erde ziehen. Sie war schnell wie ein Schwertkämpfer und sie war schön, ein scharlachroter
Blitz in der Luft, wie eine Blutspur im Wasser. Die Zuschauermenge verwandelte sich in gierige Haie.
Alle Mädchen trugen Kränze aus Fieberblüten. Die orangefarbenen und roten Blüten sahen aus wie winzige Flammen im Haar der Tänzerinnen.
Wenn eine Tänzerin jemandem eine Fieberblüte zuwarf, galt das als besondere Ehre.
In der Menge, die die Tanzenden umringte, rauschte und raschelte es, als das Mädchen in dem roten Kleid eine Blüte aus ihrem Kranz zog. Ein langsames Lächeln überzog ihre kirschroten, schimmernden Lippen. Die Tanzenden drehten sich in vollkommen gleichen Kreisen, und im Drehen blies das Mädchen in Rot auf die Blüte, die in ihrer gewölbten Hand lag.
Die Blütenblätter stoben hoch in die Luft wie ein Schmetterling und zerstreuten sich im Wind. Die Menge seufzte enttäuscht auf und entspannte sich wieder. Der Tanz endete.
Das Mädchen im roten Kleid löste sich von ihrem Partner und kam auf sie zu.
Ehe jemand anders etwas sagen konnte, ließ sich Mae vernehmen: »Das war faszinierend .«
Nick lachte leise und überrascht auf. Diese Reaktion rief Sins Tanz normalerweise bei Mädchen nicht hervor. Mae wandte ihm ihr strahlendes Gesicht zu und er ließ sie sein Lächeln sehen.
»Das war nur für die Touristen«, sagte er. »Warte nur, bis du den echten Tanz gesehen hast.«
5
Der Tanz für den Dämon
N ICK KONNTE MAE nicht lange anlächeln, denn schon eine Sekunde später wurde er von einem anderen Mädchen geküsst.
Sin Davies, die beste Tänzerin des Jahrmarkts, trat auf ihn zu, legte ihre Hände auf seine Schultern und gab ihm einen Kuss. Er landete so leicht wie ein Blütenblatt zwischen Nicks Mundwinkel und seiner Wange.
»Du hast dich für den Tanz angekleidet«, sagte sie mit ihrer kehligen Bühnenstimme.
»Es kam mir auch in den Sinn, mich für den Tanz aus zukleiden, aber das würde Merris ganz sicher nicht gefallen.«
Sins Augen huschten zu Merris, die sich durch Nicks Bemerkung kein bisschen aus der Ruhe bringen ließ, und dann lachte sie. Sin galt als heiße Kandidatin für die Nachfolge von Merris als Anführerin des Jahrmarkts, und Merris war diejenige, die sich um die Davies-Familie kümmerte, seit die Magier Sins Mutter getötet hatten.
Sin würde alles für Merris tun. Merris war nicht begeistert davon gewesen, als Sin Nick in einer warmen Nacht im letzten Sommer eine Fieberblüte zugeworfen hatte.
Nick waren die meisten Mädchen egal, aber in jener Sommernacht hatte er gedacht, dass er dieses Mädchen mögen könnte.
Demonstrativ stellte Merris Mae und Jamie vor und Sin strahlte sie mit einem sorgfältig einstudierten Lächeln an. Das Lächeln erwärmte sich, als Mae begeistert von Sins Tanz schwärmte, und wurde dann mit einem Mal ganz innig und zärtlich, als Sins kleine Schwester angerannt kam und ihr mitteilte, dass das Baby im Bett war.
»Danke, Lydie«, sagte Sin und ließ ihre Finger im blonden Haar des Kindes ruhen.
»Komm her, Liebes«, sagte Alan. Er kniete sich mühevoll ins Gras, und das Kind rannte ihm in die Arme, wie es alle Kinder taten. Sie betrachteten ihn instinktiv als sicheren Hafen. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, sanft und liebevoll, und Lydie lachte.
»Danke«, sagte Sin, ohne ihn anzuschauen. Ihr Mund war eine dünne blutrote Linie.
»Gern geschehen, Cynthia«, erwiderte Alan distanziert.
Einer der Gründe, warum Nick aufgehört hatte zu tanzen und sich letztes Jahr dann auch von Sin ferngehalten hatte, war die Art, wie Tänzer auf Alan reagierten. Es war völlig irrational, dachte Nick. Tänzer verließen sich nur auf ihre Stärke, ihre sicheren Füße, um die Dämonen in Schach zu halten. Schon allein der Anblick eines Menschen, der stolperte, versetzte einen Tänzer in Angst und
Schrecken. Einen Krüppel anzuschauen, war für sie, wie dem Tod ins Antlitz zu blicken.
Nick begriff das, aber ihre Gefühle waren ihm egal. Niemand durfte seinen Bruder so betrachten, wie sie es taten.
Er funkelte Sin an, die mit einem unsicheren Blick reagierte, dann wegschaute und Maes Augen mit ihren einfing. Die erregte Röte auf Maes Wangen verblasste und sie schaute verwirrt von einem zum anderen.
Dann wandte sie sich Merris zu, und ihre Stimme klang laut in der ungemütlichen Stille: »Erklären Sie mir bitte, wie die echten Tänze funktionieren?«
Es war eine solch harmlose, unschuldige Frage, dass alle sich unwillkürlich entspannten. Sin wandte
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