Der Zirkel Des Daemons

sich einer Gruppe der anderen Tänzer zu, Alan flüsterte wieder mit dem Kind und Merris warf Mae einen anerkennenden Blick zu. Merris mochte Menschen, die kritische Situationen zu entspannen und sogar zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen wussten.
    Merris beugte sich vor und pflückte eine Fieberblüte aus Sins glänzendem Haar. »Diese Blumen wachsen auf Bäumen, die sich durch Magie ernähren. Die Bäume tragen Fieberfrüchte: Wenn ein Tänzer von diesen Früchten isst, verändert sich seine Wahrnehmung der Welt und seine Hemmschwelle sinkt. In diesem Zustand kann er an der Energie eines Dämons teilhaben. Die Tänzer bewegen sich in magischen Kreisen und vollführen Exorzismen.«
    »Exorzismen?«
    Merris hob die Augenbrauen. »Einen Dämon in diese
Welt zu rufen, wird gemeinhin als Exorzismus bezeichnet.«
    »Ich dachte, das heißt, einen Dämon loszuwerden«, sagte Jamie.
    »Exorzismus bedeutet, einen Dämonen beim Namen zu nennen und ihm Befehle zu erteilen«, erklärte Merris Cromwell. »Oft versuchen Menschen, einem Dämon zu befehlen, einen Körper zu verlassen, aber wenn ein Dämon einmal ein Lebewesen besetzt hat, wird er es nicht aufgeben, ohne den Körper zu zerstören. Wenn man allerdings einen Dämon in den Kreis ruft und ihn besticht, kann man ihn dazu bewegen, zu tun, was man will. Wenn man genug bietet.«
    Die Tänzer hatten bereits ihre Kreise in die Erde geschnitten und mit Amuletten belegt, um die Dämonen darin zu bannen. Dämonen versuchten immer, die Kreise zu verlassen, aber nicht einmal ein Magier würde einen Dämon freilassen.
    Nick kniete nieder und lehnte das Angebot eines Zeremonienmessers ab. Er benutzte lieber seine eigenen Waffen, selbst wenn das bedeutete, dass er sie danach wetzen musste. Er nahm das längste Messer, das er bei sich trug, aus der Scheide unter seinen Rippen und fing an, seinen eigenen Kreis ins Erdreich zu schneiden. Die Klinge biss sich tief in den Grund, und er beschrieb einen exakten Zirkel mit einer Sicherheit, die er durch langjährige Übung gewonnen hatte. Seine Hände erinnerten sich an die Muster und führten die Klinge, ohne dass er darüber nachdenken musste.

    Zuerst erschuf er den Kreis, dann schnitt er die Linien, die es ermöglichten, zwischen den Welten zu wandern. Sie verliefen vom Zentrum bis hin zum Rand, wie die Speichen eines Rades. Zwei weitere Kreise machte er, die sich berührten und die Welten bezeichneten, die aufeinanderprallten. Auch durch diese Kreise führten Linien, die Wege der Verständigung, durch die er und der Dämon verbunden waren wie durch ein magisches Telefonkabel. Nur so konnte der Dämon die menschliche Sprache verstehen und nur so würde die stumme Verständigungsweise des Dämons in menschliche Worte übersetzt. Später würde er jede dieser Linien abschreiten müssen, in einer Reihe von genauestens abgemessenen Schritten, oder der Dämon würde nicht kommen und der Kreis würde stumm und leer bleiben.
    »Ein Tänzer ruft einen Dämon in den Kreis, aber ein Tänzer tut noch viel mehr als das«, erklärte Alan mit seiner ernsthaften Lehrerstimme. Er hatte immer noch den Arm um die kleine Lydie geschlungen, aber mit der freien Hand deutete er auf die sich überkreuzenden Linien. »Das ist das Webmuster. Es eröffnet eine Verbindung zwischen Mensch und Dämon, sodass der Dämon etwas von dem fühlen kann, was ein Mensch fühlt. Ein Tänzer muss den Linien des Musters ganz genau folgen, auch wenn er von der Fieberfrucht zu sich genommen hat, um seine Selbstbeherrschung zu dämpfen.«
    »Dämonen verlangen immer einen Preis«, sagte Merris Cromwell. »Ein Magier ist jemand, der etwas umsonst haben will - sie lassen andere den Preis für das zahlen, was sie
bekommen. Ein Tänzer öffnet sich dem Dämon. Er lässt den Dämon an ein paar von seinen eigenen Herzschlägen teilhaben, lässt ihm ein paar Atemzüge aus seiner Lunge nehmen, und ja, Alan hat recht: Der Dämon kann fühlen, was der Tänzer fühlt. Der Tänzer überlässt dem Dämon während des Tanzes einen Teil von sich selbst, aber er muss aufpassen, was er sagt, wenn der Dämon kommt. Wenn er etwas Falsches ausspricht oder einen falschen Schritt macht, dann kann ihn der Dämon ganz verschlingen.«
    Merris Cromwell betrachtete die Kreise mit einer gewissen Wehmut. Man erzählte sich auf dem Jahrmarkt, dass sie in ihrer Jugend selbst eine berühmte Tänzerin gewesen war.
    Jamie wirkte sehr erschrocken. Seine Augen schossen zwischen Nick und den Tänzern, von denen einige