Der Zirkel Des Daemons
uraltem Müll, und in der Mitte stand ein großer Container aus Metall, in dem sich ebenfalls der Abfall stapelte.
Nick glaubte, dass er an einem Montagmorgen hier ungestört sein würde.
Mit weißer Kreide, die er unterwegs in einem Schreibwarengeschäft gestohlen hatte, zeichnete er sorgfältig einen Beschwörungskreis. Er hatte eine Handvoll Schutzamulette aus Alans Zimmer mitgenommen, die er in Abständen um den Kreis verteilte. Der Kreis musste undurchdringlich sein. Er war bereit, Risiken einzugehen, aber dieses Risiko nicht. Wenn ein Dämon, der nicht durch einen Magier gebunden und kontrolliert wurde, in die Welt der Menschen gelangen würde, konnte dies das Ende dieser Welt bedeuten.
Nick war nur bereit, für sich selbst Risiken einzugehen. Er hatte keine Fieberfrucht, er hatte keine Partnerin und er hatte noch nie direkt mit einem Dämon gesprochen. Wenn er nicht aufpasste, würde der Dämon Besitz von ihm ergreifen. Wenn er nichts fand, was er Liannan anbieten konnte, würde sie möglicherweise gar nicht kommen.
Aber er hätte wetten mögen, dass sie kam. Sie war bisher
immer begierig darauf gewesen, zu ihm zu kommen.
Natürlich war sie keine Frau. Sie nahm nur diese Gestalt an, um Menschen zu täuschen, aber Nick dachte, dass er leichteres Spiel haben würde, wenn er so tat, als sei sie eine Frau. Er hatte schon oft Mädchen angelockt. Nichts leichter als das, egal ob man in ein Klassenzimmer kam, in einen Club oder ob man über die Straße lief. Alles, was nötig war, waren die richtigen Signale, der richtige Blick, die richtige Körpersprache. Und keinen einzigen Augenblick durfte man daran zweifeln, dass sie interessiert war.
Nick hatte sein Schwert nicht dabei, und so legte er lediglich die Messer ab, ehe er den Kreis betrat. Es war eine Geste. Er ergab sich und lud den Dämon zu sich ein.
Er durfte sich nicht darum kümmern, ob er beim Gehen die Markierungen verwischte, die der Verständigung dienten, oder die Linien, die die Grenzen zwischen den Welten bezeichneten. Wenn er sich vom Tanz ablenken ließ, würde er vergeblich auf den Dämon warten.
Er verbannte die Realität des grauen Himmels über London aus seinen Gedanken. Er dachte an die Nacht, an den Geschmack der Fieberfrucht, an den Geschmack von Mädchenlippen. Er imaginierte sich selbst in einem Nachtclub, wo er die Augen einer Frau einfing, die in den farbigen, wirbelnden Lichtern aufschimmerten. Er dachte an Maes Haut unter den Lampen des Jahrmarkts der Kobolde.
Wie immer fiel es ihm unendlich schwer, sich auf die richtigen Worte zu besinnen. Er schluckte und hörte seine Stimme, die rau und drohend klang, eher so als würde er einer Frau befehlen, statt sie zu verführen. Nun, manchmal klappte auch das.
»Ich rufe diejenige, die mir den Namen Liannan genannt hat! Ich rufe sie, die das Wasser liebt und in Kälte und Eis lebt, diejenige, die den Männern unerkannt folgt und sie in den Wahnsinn treibt. Ich rufe das Antlitz, das Menschen in einem Wintersturm in den Tod lockt. Ich rufe Liannan!«
Er dachte daran, wie er in der Dunkelheit mit dem Schwert Scheingefechte vollführte, wie sein ganzes Sein auf die Bewegung des Stahls in der Nacht ausgerichtet war. Er tanzte mit geschlossenen Augen und dachte ans Kämpfen, an die Anstrengung in seinem Körper, bis er nur noch das Verlangen nach Perfektion verspürte, nach dem perfekten Todesstoß, nach dem perfekten Kuss. Er warf den Kopf zurück, bog den Rücken durch und rief Liannan an seine Seite.
Als er seine Augen öffnete, sah er nichts außer Gerümpel, der baufälligen Rückseite des Gebäudes und den Kreidezeichnungen auf dem Boden, die wie die Kritzeleien eines Kindes aussahen. Nick wartete einen Herzschlag lang, verbot sich zu atmen und sah dann aus einer der Kreidelinien ein bleiches Feuer emporzüngeln.
Es war ein sehr, sehr helles Feuer, fast farblos, als ob Wasser gelernt hätte zu brennen. Liannan erhob sich aus einer hohen Flammensäule, die aussah wie eine Fontäne.
Sie hatte den Kopf gesenkt wie eine Göttin, die aus dem Meer steigt. Das Feuer verteilte sich über den Kreis und spielte sanft wie kleine Wellen um ihre Füße. Dann stand sie vor Nick und hob den Kopf.
Sein Talisman versetzte ihm einen Stich aus reiner Pein und er keuchte kurz auf. Sie lächelte.
Sie lächelte - sie, die eine Legende war, der Männer um eines Lächelns willen in Eis und Dunkelheit folgten. Sie war atemberaubend, und ihre Schönheit hätte alles Irdische überstrahlt, wenn sie nicht
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