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Der Zirkel Des Daemons

Titel: Der Zirkel Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Rees Brennan
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Gesicht, denn sie lachte.
    Sie hatte zwei Reihen spitzer Zähne, wie ein Hai. Sie alle blitzten, als sie lachte, und sie rückte noch näher an ihn heran. Ihr Mund hatte die Farbe von gefrorenen Kirschen.
    »Wie ist das, ein Mensch zu sein?«, fragte sie. »Ich kann es mir nicht vorstellen, das warme Blut in deinen Adern und die heiße Sonne auf deinem Gesicht. Wirst du mir sagen, dass du mich liebst?«
    »Ich liebe dich nicht«, sagte Nick. »Ich kenne dich nicht einmal, Dämon.«
    »Du kanntest mich einst.«
    »Wirklich?«, sagte Nick. »Wann soll das gewesen sein? Vor hundert Jahren? Vor zweihundert?«

    »So in etwa«, murmelte Liannan.
    »Was weißt du über die Menschen?«
    Sie hatte keine Wimpern, wie ein Reptil oder ein Geschöpf des Wassers. Sie wirkte nur auf den ersten Blick menschlich, ehe man die Details bemerkte, die nicht stimmten.
    »Nicht viel«, antwortete sie und berührte mit ihrer freien Hand sein Gesicht.
    Die Kälte brannte und betäubte ihn. Er fühlte es nicht, als die Eiszapfen ihn aufschnitten, nur das Blut fühlte er, das über seine Wange lief. Sie legte ihren Mund auf sein Gesicht. Ihre Lippen waren kalt, aber weich. Als sie von ihm abließ, wirkte ihr Mund wärmer, und sie strich mit der Hand über Nicks Brust. Sein Hemd zerriss unter ihren scharfen Fingerspitzen.
    Der Griff ihrer Hand um seinen Nacken war fest. Es war, als ob sie befürchtete, er würde versuchen, sich loszureißen.
    »Glaubst du, ich habe Angst vor dir?«, fragte Nick.
    »Ich hoffe nicht«, sagte sie. »Da ist noch etwas, das du wissen solltest. Anzu arbeitet für den Zirkel des Obsidian.«
    »Oh, und deshalb soll ich ihm wohl nicht vertrauen«, sagte Nick spöttisch. »In Zukunft soll ich nur noch dich anrufen, stimmt’s?«
    Liannan nickte.
    Nick lachte. »Dämonen arbeiten für jeden, der sie beschwört«, sagte er. »Glaubst du, ich weiß das nicht? Glaubst du, ich würde jemals einem Dämon vertrauen?
Versuche nicht, mich auszutricksen. Ich habe noch eine andere Frage. Nenne deinen Preis.«
    Liannan seufzte wie ein erschöpftes Kind und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Er fühlte ihren kalten Atem über seinen Nacken streichen und bebte bei ihren Worten. »Mein Liebster«, sagte sie. »Mein Liebling, mein Geliebter. Was bedeuten diese Worte? Ich vermute, du weißt es mittlerweile.«
    »Ich weiß es.«
    Nick hatte einen grausamen Ton beabsichtigt, hatte mit seinen Worten verletzen wollen, aber das Gesicht, das der Dämon ihm jetzt zuwandte, war so strahlend wie Sonnenlicht auf einem schneebedeckten Feld.
    »Ich möchte etwas Wärme mit zurücknehmen«, flüsterte sie. Ihre Stimme war eine eisige Brise. »Du erinnerst dich bestimmt an einen Moment, in dem dir warm war.«
    »Das ist dein Preis?«, fragte Nick, um den Handel abzuschließen.
    »Das ist mein Preis«, sagte Liannan. »Ein Moment in deinem Leben.«
    »Gut, dann sag mir, wohin der Zirkel des Obsidian gehen wird, und du bekommst deinen Preis.«
    Der Dämon nickte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um den kalten, weichen Mund auf Nicks Lippen zu pressen. Nick schloss die Augen, und während der Kuss ihn durchkühlte und die Eiszapfenfinger über seine Haut schabten, suchte er in seinem Geist nach einem Moment, in dem ihm warm gewesen war.

    Er erschauerte, kämpfte die Panik nieder und erinnerte sich nur an Zeiten, in denen er gefroren hatte.
    Liannan hatte seinen Vater erwähnt. Vielleicht war es diese Bemerkung, die Nick an die Tage nach dessen Tod denken ließ. Sie hatten damals in Schottland gelebt, in der kleinsten, billigsten Wohnung, die Alan finden konnte. Alan, der verwundet gewesen war und kaum hatte laufen können, hatte nicht gewusst, wie er seine Mutter dazu bringen sollte, arbeiten zu gehen, und so war ihnen mitten im Winter die Heizung abgestellt worden.
    Nick hatte Alan jede Nacht durch die dünnen Wände weinen gehört. Nick war nicht sicher gewesen, ob man auch von ihm erwartete, dass er weinen würde. Er hatte noch nie zuvor geweint, und er hatte keine Lust, jetzt damit anzufangen. Er hatte einfach nur dagelegen und seine düsteren Gedanken wandern lassen. Er war acht Jahre alt, sein Vater war tot, sein Bruder verkrüppelt und er fror.
    Er hatte sich unter den Decken zusammengekauert, über all das nachgedacht, als sein Bruder ins Zimmer gehumpelt gekommen war und seine eigenen Decken über ihn gelegt hatte. Nick hatte schweigend in Alans bleiches und müdes Gesicht gestarrt, in das sich neue Linien aus Schmerz gegraben hatten.

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