Der zögernde Schwertkämpfer
waren acht Männer am Tor aufgestellt, drei davon Viertstufler. Einmal war er ungesehen hier hereingekommen, doch Wunder geschahen nicht auf Bestellung.
Die Arbeiten an den Stallungen bestanden im Einsetzen neuer massiver Tore mit Drehkreuzen, um jeden Eintretenden zu kontrollieren. Von einem Sechststufler wurde erwartet, daß er so ziemlich alle Sutras kannte, und Tarru war offenbar bestens vertraut mit jenen, die sich mit Befestigungsanlagen befaßten.
Die umfriedete Tempelanlage war an sich ein sehr komfortabler Ort. Doch jetzt war sie für Lord Shonsu zu einem sehr komfortablen Gefängnis geworden. Wie lang würde Tarru noch gestatten, daß er es sich hier gutgehen ließ? Und wie lang würde es noch dauern, bis er seine Armee schickte?
Gegen Abend schien es Nnanji entschieden besser zu gehen. Er hatte sogar seine übliche gute Laune weitgehend wiedererlangt. Wallie setzte ihn davon in Kenntnis, daß er an diesem Abend als diplomatischer Sekretär und Protokollattache zu fungieren hätte – obwohl das in der Übersetzung schlicht als ›Herold‹ herauskam –, und sie machten sich auf den Weg in die Frauengemächer, um Jja abzuholen.
Sie blieb schüchtern in der Tür stehen, um ihn ihr Gewand bewundern zu lassen. Das fiel Wallie leicht. In Paris wäre es sicher nicht anerkannt worden, und es war immer noch ein skandalös aufreizendes Kleidungsstück, doch eine nackte Brust mit Schwertriemen samt dem Schwert hatten ebenfalls eine stark erotische Ausstrahlung, so daß sie sich gegenseitig in dieser Hinsicht vielleicht in nichts nachstanden. Sie hatte eine blaß aquamarinfarbene Seide gewählt, so zart, daß man den Eindruck hatte, sie könnte jeden Augenblick wie Rauch davonschweben, und daraus hatte sie ein enganliegendes, schlichtes langes Kleid gefertigt, das jede Einzelheit ihres herrlich geformten Körpers nachzeichnete. Der Ausschnitt reichte bis zur Taille, ihre Brustwarzen hoben sich deutlich unter dem fließenden Stoff ab, und auf Wallie wirkte dieser Reiz unvergleichlich aufregender als die vorherigen Troddeln und Quasten und die rote Bemalung.
Als sie sich auf ihn zu bewegte, öffnete sich der Schlitz, der auf seinen Vorschlag zurückging, und enthüllte die vollkommene Form ihres Beins. Nnanji schnaufte heftig vor Erstaunen und gab einen tiefen, kehligen Laut von sich, wahrscheinlich die hiesige Entsprechung eines bewundernden Pfeifens. Dann sah er seinen Gebieter nervös an.
Wallie grinste ihn von der Seite her an, ohne den Blick von seiner Sklavin wenden zu können, die sich ihm immer weiter näherte. »Solange du nur schaust«, sagte er, »werde ich davon absehen, dir die Eingeweide herauszureißen!«
Er fand, daß Jja ihr eigenes kleines Wunder vollbracht hatte. Er küßte sie inniglich und sagte ihr das, und sie strahlte vor Begeisterung, weil sie ihrem Herrn gefiel.
Nnanji ging voraus in die Räumlichkeiten, die er als Vergnügungszentrum bezeichnet hatte, den Ort für gesellige Freizeitgestaltung am Abend. Im Vorraum bewachte ein einarmiger Gehilfe das Gestell mit den zur Aufbewahrung abgegebenen Schwertern. Nnanji zog ordnungsgemäß das seine und reichte es dem Mann. Wallie hob lediglich eine Augenbraue; er war nicht gewillt, Tarru seinen Preis ohne jeglichen Kampf zu überlassen. Der Gehilfe lächelte höflich und verbeugte sich, als Wallie an ihm vorbeiging.
Ein Vergnügungszentrum wie dieses hatte Wallie noch nie gesehen, doch es gab die Andeutung einer Bar, einen Tanzsaal, ein Restaurant, eine Art Club, einen Gesellschaftsraum und ein Bordell. Das meiste davon lag im Freien, auf einer Dachterrasse mit verstreut stehenden Tischen und beleuchtet durch brennende Fackeln entlang der Balustrade. Eine Gruppe von Musikanten dudelte eine Melodie nach einem sonderbaren Siebentonsystem, während junge Leute auf einer Tanzfläche herumstampften und Verrenkungen machten. Junggesellen lehnten an einem Geländer, trinkend und spottend oder bestaunend, lachend, schwatzend und streitend.
Für eine Gesellschaft, die ansonsten auf so steife Formen und eine strenge Hierarchie bedacht war, lief das Nachtleben erstaunlich locker ab. Sicher, einer der Balkone war den höheren Rängen und deren Gästen vorbehalten – Nnanji erfüllte die Voraussetzungen, da er zu Wallie gehörte –, doch darin bestand offenbar die einzige Einschränkung. Die Männer gesellten sich ungeachtet ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zu einer Stufe frei zueinander, begleitet von ihren Ehefrauen oder Sklavinnen oder den der
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