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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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die lenkende Hand der Göttin. Die Boote auf dem Fluß führen dahin, wohin Ihr Wille sie steuere, denn der Fluß sei ja die Göttin …
    »Und die Göttin ist der Fluß«, vollendete Wallie den Satz, wobei sein tiefes Brummen das zahnlose Murmeln des greisen Priesters übertönte. »Vielleicht könntet Ihr mir das etwas genauer erklären, mein Lord.«
    Es dauerte eine Weile, denn Honakura war fassungslos über Wallies Unwissenheit, was das Wesen des Flusses betraf. Es gab nur einen einzigen Fluß – er war in dieser Welt allgegenwärtig. Nein, einen Anfang und ein Ende habe er nicht, soviel er wisse. Und Städte und Ortschaften lagen am Fluß, wie zum Beispiel Hann. Normalerweise lag Fon von Hann aus gesehen flußabwärts, und Opo lag flußaufwärts, aber das war nicht immer so.
    Endlich begriff Wallie so langsam – die Geografie dieser Welt war veränderlich. Jetzt ergab auch Jjas Geschichte mehr Sinn, und er erkundigte sich nach Jonas. Ein Jonas, so wurde ihm erklärt, sei eine Person, die die Göttin an einem anderen Ort haben wollte. Wenn diese Person den Fuß auf ein Schiff setzte, dann fuhr das Schiff an diesen Ort. Wenn die Göttin wollte, daß der- oder diejenige am derzeitigen Ort verweilte, so kehrte das Schiff immer wieder dorthin zurück. Nein, das sei kein Wunder, behauptete Honakura beharrlich. So etwas geschah andauernd. Wallies Schwert hingegen, das sei schon ein Wunder.
    Es gab gute Jonas und schlechte Jonas, aber die meisten waren gut – was vielleicht der Grund dafür war, daß sich der Begriff für Wallie nur umständlich übersetzen ließ. Sobald der Jonas an Land abgesetzt worden war, wurde das Schiff nur noch von den üblichen Geistern heimgesucht, und oft war ihm ein glückliches Schicksal beschieden.
    Das hörte sich ganz danach an, als ob diese Welt ein sehr interessanter Ort sein müßte. Offenbar war die Plünderung des Tempel Schatzes kein gewinnbringendes Unternehmen, doch der Halbgott hatte Wallie ausdrücklich gewarnt, daß das Schwert gestohlen werden könnte.
    »Glauben denn diese Priester, von denen Ihr gesprochen habt, an Wunder?« fragte Wallie.
    Honakura blickte mit düsterer Miene hinunter auf die Pflastersteine. »Ich bin beschämt zugeben zu müssen, daß einige Mitglieder der Priesterschaft einen tadelnswerten Mangel an Glauben aufweisen, mein Lord. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, die glaubt … in der Legende ist überliefert, daß das Schwert der Göttin geschenkt worden sei. Es gibt also welche, nach deren Auslegung es als Gabe an den Tempel gedacht war und daß es hierher gehört, daß es während all der Jahrhunderte irgendwo hier versteckt gewesen war.« Er blickte zornig auf. »Mir wird vorgeworfen, es Euch gegeben zu haben, Lord Shonsu!«
    Das erklärte also Tarrus Gedankengänge.
    Honakura lachte unbehaglich und bot wieder den Kuchenteller an, obwohl er inzwischen die meisten Stücke selbst weggenascht hatte. »Wankt nicht in Eurem Glauben, mein Lord! Die Götter wählen keine Dummköpfe aus. Euch wird etwas einfallen. Doch jetzt bin ich an der Reihe. Erzählt mir von Eurer Traumwelt!«
    So kam es, daß Wallie während des übrigen Morgens schlaff auf seinem Hocker in dem heißen Innenhof lümmelte und Honakura alles erzählte, was dieser über den Planeten Erde wissen wollte – über Jesus und Mohammed und Moses und Buddha, Zeus und Thor und Astarte und all die anderen. Der alte Mann nahm es alles begierig auf und war entzückt.
    An diesem Nachmittag unternahm Wallie einen Erkundungsgang. Begleitet von einem gleichfalls schwer mitgenommenen Nnanji – die beiden sahen aus wie die Überlebenden einer Katastrophe –, umrundete er die gesamte Tempelanlage.
    Der Fluß mochte an einigen Stellen zu durchwaten und die Felsenklippen mochten an anderen Stellen zu erklettern sein, doch nirgendwo traf beides zusammen. Es gab viele wilde Stromschnellen im Flußlauf, so daß er den Traum von einem Boot oder Floß gleich aufgeben konnte. Jetzt, nachdem er erfahren hatte, daß die Göttin den Fluß angelegt hatte, um Ihre Schätze zu schützen, überraschte ihn das nicht.
    Beide Enden der großen Mauer standen, wie Nnanji gesagt hatte, im Wasser, und zwar in reißendem, tiefem, strudelndem Wasser. Es gab keine Möglichkeit, sie zu umfahren.
    Wallie stand eine Weile am Tor und beobachtete die ein und aus gehenden Pilger, dazu einen nicht abreißenden Strom von Handwerkern und Händlern, Sklaven und Karren. Es war ein Ort emsiger Geschäftigkeit, der Tempeleingang; jetzt

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