Der zögernde Schwertkämpfer
Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Freudenmädchen, und sie aßen und tranken und unterhielten sich und tanzten. Schwertkämpfer, die großen Wert auf Beinarbeit legten, waren eifrige Tänzer und meistens auch gute. Für das Essen und Trinken und die Mädchen mußte man zahlen, wahrscheinlich, um einen unmäßigen Genuß bei der übermütigen Jugend auszuschließen, doch Wallie wurde von einem der Kellner höflich darüber aufgeklärt, daß Gäste sämtliche Dienste kostenlos in Anspruch nehmen konnten. Er entschied sich für einen Tisch auf der oberen Ebene, achtete beim Platznehmen darauf, daß seine linke Schulter zum Geländer zeigte, beobachtete das bunte Treiben, und es gelang ihm, eine ganze Weile lang seine Sorgen zu vergessen.
Natürlich mußten die höheren Ränge ihm ihre Ehefrauen vorstellen, so daß er sich pausenlos erhob und wieder setzte. Und natürlich mußte sich auch seine Sklavin gleichzeitig mit ihm erheben. Er bemerkte belustigt, mit welcher abschätzenden Aufmerksamkeit Jjas Kleid gemustert wurde und wie sie sich mit Bedacht bewegte, um seine Vorzüge zur Geltung zu bringen. Lange Kleider waren nicht sexy – diese Meinung herrschte hier offenbar vor, denn die meisten Frauen trugen extrem kurze und reichverzierte Kleider, mit viel Quasten und Schnüren und anderem Zierrat. Manche trugen nur die Schnüre und Quasten, so wie Jja ihm beim erstenmal vorgeführt worden war. In der Freizeitkleidung hatten die Farben der verschiedenen Stufen offenbar keine Bedeutung, zumindest nicht innerhalb der Anlage. Jjas langes Kleid war eine kleine Sensation, und die Mienen der Männer verrieten, daß die vorherrschende Meinung bezüglich der Mode möglicherweise revidiert werden mußte.
Nach einiger Zeit bat Nnanji darum, sich entschuldigen zu dürfen, und schlenderte hinunter in die untere Ebene. Einige Minuten lang sahen sie ihn noch, wild tanzend mit einem der leichtgeschürzten Mädchen. Dann verschwand er. Doch nach einer erstaunlich kurzen Zeit tauchte er wieder auf und kippte einen ganzen Humpen Bier in sich hinein. Dieses Schauspiel wiederholte er dreimal, während sie ihr Dinner einnahmen. Wallie nahm sich im stillen vor, einen Nahkampf-Kursus in seinen Unterricht einzuschieben, aber leider ließ sich dieser doppelte Wortsinn nicht übersetzen.
Sie hatten ihr Mahl fast beendet, als am anderen Ende des Balkons ein Aufruhr entstand. Wallies Wachsamkeit war sofort aufs äußerste geweckt. Dann trat die Ursache aus der Dunkelheit, und er stellte seinen Weinpokal ab, um sie überwältigt anzustarren. Sie war sehr groß und sehr wuchtig, die weibliche Version eines Sumo-Ringers; ihr fast nackter Körper war eingeschnürt mit glänzenden Kordeln und Glitzerkram, die diese bombastische Häßlichkeit mehr betonte als verhüllte. Schichten von Schminke in ihrem Gesicht konnten weder die Falten noch die nach einem Bruch unförmig zusammengewachsene Nase verbergen. Sie war alt und von Narben übersät und trug eine mit funkelnden Steinen besetzte Binde über dem linken Auge. Schwabbeliges Fett und Krampfadern und … »Titten wie Mehlsäcke« – hatte Nnanji gesagt. Es mußte sich also um die Wilde Ani handeln.
Ihr Erscheinen löste Befremden aus. Es war zu vermuten, daß eine Sklavin ohne Begleitung hier keinen Zutritt hatte. Shonsus Instinkt warnte: wenn irgendwo ein Durcheinander entsteht, paß gut auf, ob das nicht ein Ablenkungsmanöver ist. Im gleichen Moment entdeckte Wallie die Gruppe von Zweitstuflern auf der unteren Terrasse, die die Szene grinsend beobachteten. Er sah schnell wieder zur Wilden Ani hin, und sie kam auf ihn zu, indem sie ihre Massen zwischen den Tischen hindurchschob. Dieser schwankende Gang mußte noch eine andere Ursache haben als nur die Fettleibigkeit.
Ein paar Fünftstufler ahnten, welchem Ziel sie zuwalzte, und sprangen auf, um ihr den Weg zu versperren.
»Shonsu!« schrie sie, wobei sie die Arme ausbreitete und leicht taumelte. Dann hatten sie die Fünftstufler erreicht und packten sie, entschlossen zu verhindern, daß der hohe Gast belästigt würde.
Offenkundig hatten die Jungen die alte Frau betrunken gemacht und sich den Scherz erlaubt, sie auf Shonsu loszulassen. Eine Sklavin würde dafür gehörige Prügel beziehen.
»ANI!« dröhnte er mit donnernder Stimme. Er sprang auf und streckte ihr die Arme entgegen, während Nnanji vor Entsetzen einen Schluckauf bekam. »Ani, meine liebe Ani!«
Die Fünftstufler ließen sie los und drehten sich zu ihm um, um ihn
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