Der zögernde Schwertkämpfer
erinnern könnte.«
»Und wie soll ich dann meinen Bruder finden? Hat der Gott sie entfernt?«
»Allem Anschein nach«, sagte Honakura fast genüßlich.
Wallie saß da und grübelte eine Weile lang über seine Probleme, wobei er unvermeidlich wieder auf Tarru zu sprechen kam.
»Der Gott hat mich ermahnt zu lernen, ruchloser zu handeln«, sagte er. »Ich hätte ihn umbringen sollen, als er mich herausforderte. »Shonsu hätte das getan, wie wahrscheinlich jeder andere Siebentstufler.
»Dann habt Ihr also einen Fehler gemacht«, stellte Honakura fest, »und Eure Aufgabe damit nur noch erschwert.« Das schien ihn nicht sehr zu beunruhigen, aber schließlich war es ja auch nicht sein Blut, das die Erde benetzen würde. »Doch einige Eurer Probleme könnt Ihr schon abhaken, mein Lord.«
»Wie meint Ihr das?«
Der Priester zählte an den Fingern auf. »Ihr habt Euch Sorgen gemacht über räuberische, ja über unehrenhafte Schwertkämpfer im allgemeinen, und wegen Tarru. Ihr solltet in diesem Zusammenhang auch noch die Priester einbeziehen, muß ich zu meinem Bedauern sagen – einige meiner Kollegen glauben, daß das Schwert der Göttin hierher in den Tempel gehört, sofern es sich wirklich um Ihr Schwert handelt. Doch wenn der Ehrenwerte Tarru selbst scharf darauf ist, dann wird er klugerweise keine Straßenräuber darauf ansetzen und genausowenig mit den Priestern zusammenarbeiten. Und was die Schwertkämpfer betrifft, so muß er sogar auch vor ihnen auf der Hut sein.«
Das stimmte. Die Gottlosen mochten sich durchaus um die fette Beute zanken. Doch leider würde das sehr wahrscheinlich erst nach Wallies Tod passieren.
»Ich nehme doch an«, sagte Wallie nachdenklich, »daß die Göttin irgendwann einen neuen und besser geeigneten Obersten Anführer Ihrer Tempelwache einsetzen wird?«
»Ganz gewiß, mein Lord.«
Gab es noch einen weiteren Siebentstufler? Mit einem zweiten Siebentstufler zur Seite könnte Shonsu die ganze Wache in einen großen Teller voll Koteletts verwandeln …
»Irgendwann«, wiederholte er.
»Irgendwann«, gab Honakura wie ein Echo zurück. »Es kann natürlich sein, daß wir uns irren, aber wenn Ihr tatsächlich auf die Probe gestellt werdet, mein Lord, dann rechne ich nicht mit einem Ersatz bevor … bevor Ihr Eure eigenen Probleme gelöst habt.«
»Verdammt!« schimpfte Wallie. »Ich brauche Zeit! Zeit, um gesund zu werden! Zeit, um Freunde zu finden! Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er sich in der ganzen Wache breitmacht, wie ein Krebsgeschwür, jeden einzelnen mit vorgehaltenem Schwert zum Ablegen des Eids zwingt, einen nach dem anderen. Und wenn er sie alle in seiner Macht hat – oder fast alle –, dann kann er zum entscheidenden Schlag ausholen – mich umzubringen, das Schwert an sich zu nehmen und sich aus dem Staub zu machen. Wenn es auch nur einen Bruchteil des Wertes hat, den Ihr ihm beimeßt, dann kann er alles andere im Stich lassen und sich irgendwo ein neues Leben aufbauen. Oder er kann sich zum Tempelherrscher machen …«
Er hielt inne, dachte den Gedanken im stillen zu Ende und beobachtete, wie sich der Priester schweigend amüsierte.
»Dann brauchte er doch wohl das Schwert nicht, oder? Er könnte sich am Tempelschatz zur Genüge bereichern!« sagte Wallie. »Ist das eigentlich je vorgekommen? In den vielen tausend Jahren muß das doch mal einer der Obersten Anführer versucht haben?«
Das runzelige alte Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Das ist schon mindestens fünfmal passiert, allerdings in den letzten paar Jahrhunderten nicht mehr, so daß es vermutlich langsam wieder Zeit für einen weiteren Versuch wird. Natürlich klappt das niemals! Zunächst einmal, Euer Blutschwur hat nicht vor allen anderen Dingen Vorrang, mein Lord. Euer Schwertkämpfer-Kodex stellt den Willen der Göttin über die Sutras, ist es nicht so?«
»So ist es. Der Tempel ist also geschützt. Während ich es nicht bin!«
»Damit habt Ihr recht, befürchte ich. Aber es gibt noch einen weiteren Schutz – man kommt nur per Schiff von hier weg.« Der Priester schmunzelte und füllte die silbernen Pokale nach.
Wallie sah ihn verständnislos an. »Na und?«
»Die Schiffe fahren nicht«, erklärte Honakura, überrascht über Wallies Begriffsstutzigkeit. »Die Göttin wird doch keine gemeinsame Sache machen mit denen, die Ihren Tempel schänden!«
»Ach, Ihr denkt an ein Wunder?« sagte Wallie.
Nein, sagte der Priester, an ein Wunder denke er nicht, er denke vielmehr an
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