Der zögernde Schwertkämpfer
sollst, wenn ich aufwache?«
»Ja, mein Lord.« Sie blickte auf ihre Hände hinab.
»Und wie lauteten diese Anweisungen?« Sie hörte Belustigung in seinem Tonfall, aber keine Wut oder Drohung.
»Ich soll alles tun, was Ihr wünscht, mein Lord.«
»Aha. Alles?«
Sie nickte in Richtung Boden. »Es gibt einige Dinge, die brauche ich für Pilger nicht zu tun, mein Lord, selbst wenn sie es verlangen. Aber sie sagte … nun, sie sagte: ›In diesem Fall tust du alles, absolut alles, sorge nur dafür, daß er dort bleibt.‹ Mein Lord.«
Der Mann räusperte sich rauh. »Gut. Nun denn, höre meine Befehle. Als erstes, sag nicht mehr ›mein Lord‹ zu mir, sondern nenn mich Wallie. Zum zweiten, vergiß, daß du eine Sklavin bist, fühle dich statt dessen als schönes Edelfräulein. Ich vermute, daß die meisten Schwertkämpfer mit sieben Schwertern irgendwo zu Hause in ihrer Burg eine schöne Dame haben?«
»Das weiß ich nicht, mein …« Schweißperlen traten ihr kitzelnd auf die Stirn, doch sie schaffte es zu sagen: »Wallie.«
»Ich auch nicht«, sagte er. »Aber wir wollen mal so tun, als wäre ich ein großartiger Schwertkämpfer und du eine großartige Lady. Nun denn, sagt mir doch bitte, was haltet Ihr von diesem Wein, Lady Jja?«
Sie hatte noch nie zuvor Wein gekostet. Sie hatte noch nie von silbernem Geschirr gespeist. Sie hatte noch nie bei einem Lord gesessen. Doch sie war hingerissen, und das Essen war das Köstlichste, das sie je genossen hatte – Fleisch in einer üppigen Sauce und zartes Gemüse und, was sie nur vom Hörensagen kannte, knusprig-frisches Weißbrot.
Die meiste Zeit sprach er, wahrscheinlich weil er spürte, wie anstrengend für sie das Ganze war, und wohl wissend, daß eine Unterhaltung in diesem Moment zu hohe Anforderungen an sie gestellt hätte. »Du bist sehr schön, weißt du«, sagte er. »Du solltest dein Haar lang tragen, aber natürlich herrscht hier ein heißes Klima. Du arbeitest als Wäscherin, nehme ich an. Ja, deine Hände …«
Später sagte er: »Schwarz ist nicht deine Farbe. Blau, würde ich sagen. Ich war ziemlich gut darin, mir in meiner Phantasie etwas Schönes vorzugaukeln; dich würde ich mir in einem langen blauen Kleid vorstellen … ohne Ärmel, aus schimmernder hellblauer Seide, vorne tief ausgeschnitten und enganliegend … Du würdest wie eine Göttin aussehen …
Dieser Wein ist gar nicht schlecht, oder? Und das hier sieht aus wie Obstkuchen zum Nachtisch. Irgendwo ist auch noch ein Becher Sahne. Und hier ist eine Pastete! Iß, iß, es ist reichlich da …«
Das war ein Traum, davon war sie überzeugt; hier im Warmen zu sitzen mit einer einzigen Kerze, deren Schein sich im Silber spiegelte und die einen großen Herrn beleuchtete, der sie anlächelte und ein wenig mit ihr scherzte. Nicht irgend so ein grapschender alter Steinmetz der Dritten Stufe, der eine Pilgerfahrt unternahm, um die Göttin zu bitten, seinen Husten zu heilen, oder ein zahnloser grauer Schäfer der Vierten Stufe, dem es ums Gedeihen seiner Herde ging, nein, ein gutaussehender junger Lord, der sie mit strahlend weißen Zähnen anlächelte und mit funkelnden Augen anblitzte.
Ein Traum, der sich wiederum in einem anderen Traum abspielte.
Er machte sich etwas aus ihr. Sie kannte die Männer – und sie erkannte das männliche Interesse in seinen Augen, wenn er sie ansah. Zum erstenmal genoß sie das. Sie gab sich alle Mühe, eine gute Sklavin zu sein, es der Göttin recht zu machen, indem sie ihre Pflicht gewissenhaft erfüllte, doch manchmal war das nicht leicht. Heute abend hatte sie das Gefühl, daß es sehr leicht sein würde, obwohl es ihr seltsam vorkam, daß er sie noch nicht einmal angefaßt hatte.
Schließlich hatten sie beide das Mahl beendet, und ihr Kopf drehte sich etwas vom Wein. Bestimmt würde er ihr jetzt die üblichen Anweisungen geben. Sie erwartete sie mit merkwürdiger Erregung, wie es noch nie der Fall gewesen war, doch sie kamen nicht. Er saß einfach da und hielt einen Becher in der Hand, und dabei starrte er ins Kerzenlicht und beobachtete die Motten, die sich wild darin tummelten.
Dann erinnerte er sich offenbar an sie. Er riß sich aus seiner Traurigkeit. »Wir könnten doch tanzen«, sagte er. »Wenn mir meine Phantasie doch nur noch ein paar Musikanten vorgaukeln würde! Kannst du tanzen, Jja?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie … Lord Wallie.« Da sie ihn nicht ganz enttäuschen wollte, oder vielleicht angeregt durch den Wein, fügte
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