Der zögernde Schwertkämpfer
vorbehielt, die das meiste Geld hatten, daß es die älteren, häßlicheren Frauen waren, die den jüngeren Männern zugewiesen wurden. Kam er denn nicht darauf, warum sie die Idee gehabt hatte, ihn in der Weise, wie sie es getan hatte, vor der spionierenden Priesterin zu verbergen? Hatte er denn keine Ahnung, daß sie am liebsten vor Enttäuschung geweint hätte, weil er nicht in der Lage war zu reagieren, während sie gleichzeitig entsetzliche Angst hatte, daß er aufwachen und eine Sklavin auf ihm liegend entdecken könnte?
Sie sagte: »Mein Lord«, und neigte den Kopf.
»Also gut, du schläfst auf dieser Seite des Bettes.« Er stand auf, ohne sie anzusehen. »Und ich werde auf dieser Seite schlafen. So, wo kann ich mal …?«
»Draußen, mein Lord«, sagte sie überrascht.
Er drehte sich zu ihr um und grinste sie an – mit diesem merkwürdig jungenhaften Grinsen, das so plötzlich kam und ging und das ihn so jung und glücklich aussehen ließ. »Ich hatte nicht vor, es hier im Raum zu erledigen! Also irgendwo, egal wo?«
Er trat durch den Vorhang hinaus in die tropenwarme Nacht. Sie räumte den Tisch ab. Es war noch genug Essen übrig, das sie für morgen aufheben konnte, also fischte sie ein paar Motten heraus, die hineingefallen waren, deckte die Schüsseln zu, wickelte sie wieder ein und packte sie in den Korb. Schließlich löschte sie die Kerze, und die Hütte lag im Dunkeln, nur ein winziger Silberstrahl des Traumgottes schimmerte durchs Fenster. Dann hörte sie ihn und ging hinaus, um nach ihm zu sehen.
Er stand an die Wand gelehnt neben der Tür, den Kopf auf die Arme gebettet. Der ganze Körper wurde von Schluchzen geschüttelt. Ein Schwertkämpfer, der weinte? Das kam ihr seltsam vor, aber inzwischen wußte sie, daß dies hier kein gewöhnlicher Schwertkämpfer war.
Wieder mußte es am Wein liegen, daß sie den Mut faßte, einen Arm um ihn zu legen, ihn in die Hütte und zum Bett zu führen. Er sagte nichts. Das Bett knarrte laut, als er sich hinlegte. Er hielt sein Gesicht bedeckt und schluchzte weiter. Sie zog ihr Wickelgewand aus und ging ums Bett herum, um sich auf die andere Seite zu legen, wie es ihr gesagt worden war. Dann wartete sie.
Schließlich endete sein Schluchzen in einem letzten erstickten Schniefen, und er flüsterte: »Das Licht am Himmel? Was ist das?«
»Das ist der Traumgott, mein Lord.«
Er erwiderte nichts. Sie wartete, aber sie wußte, daß er nicht schlief.
Es mußte am Wein liegen … »Der Gott der Traurigkeit und der Gott der Freude sind Brüder, mein Lord.«
Nach einer Weile rollte er sich zu ihr herum und sagte: »Erzähle also!«
Sie erzählte es ihm, so wie es ihr erzählt worden war, vor langer Zeit, von einem anderen Sklaven, einem jungen Mann, den sie niemals wiedersehen würde. »Der Gott der Traurigkeit und der Gott der Freude sind Brüder. Damals, als die Welt entrollt wurde, umwarben sie beide die Göttin der Jugend. Sie erwählte den Gott der Freude, und sie liebten sich inniglich. Als die Zeit kam, gebar sie ihm einen Sohn, das hübscheste Kind, das selbst die Götter jemals gesehen hatten, und der Vater holte das Baby selbst auf die Welt und hielt es hoch, damit die Mutter und die Götter es betrachten konnten.
Doch der Gott der Traurigkeit war eifersüchtig und äußerst erzürnt, als er das Kind sah – also schleuderte er seinen Rachestrahl und tötete es.
Danach packte den Gott der Traurigkeit tiefes Entsetzen über seine eigene Tat, und er floh, während alle anderen Götter weinten. Sie begaben sich zur Göttin Selbst und baten um Gerechtigkeit. Und so erging Ihr Urteil, daß von nun an bis in alle Ewigkeit dem Gott der Freude von der Göttin der Jugend der schönste aller Götter geboren werden sollte, doch er würde immer ein Baby bleiben, und er würde jeweils nur ein paar Augenblicke leben. Doch obwohl er nur ein Baby wäre, wäre er kräftiger als sein Vater, und der Gott der Traurigkeit, der abscheulichste der Götter, könnte ihm nichts anhaben und müßte ständig vor ihm fliehen. So kam es, daß der kleinste Gott aller Götter den Gott der Traurigkeit in die Flucht schlagen kann.«
»Und wie heißt dieser kleinste aller Götter?« fragte der Mann in der Dunkelheit.
»Es ist der Gott der Ekstase, mein Lord«, sagte sie.
Er rutschte dicht zu ihr und nahm sie in die Arme. »Dann wollen wir diesen kleinen Gott gemeinsam suchen«, sagte er.
Sie hatte erwartet, daß ein Schwertkämpfer brutal sein würde, doch er war der
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