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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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allerzärtlichste Mann. Er war geduldig und voller Kraft und Ausdauer und ging so einfühlsam mit ihr um, wie sie es noch nie von einem Mann erfahren hatte. Gemeinsam beschworen sie den kleinen Gott viele Male herbei, und der Gott der Traurigkeit war in die Flucht geschlagen.
     
    Eine Fliege summte dicht bei seinem Ohr und weckte ihn auf. Er öffnete die Augen und schloß sie schnell wieder. Stroh?
    Es war alles noch da.
    Da war ein Krankenhaus gewesen mit ernst dreinblickenden Ärzten in weißen Kitteln und müde aussehende Schwestern mit Spritzen … vertraute Gesichter, die eine unechte Fröhlichkeit aufgesetzt hatten … Blumen, die ihm die Belegschaft seiner Firma geschickt hatte … der Geruch nach Desinfektionsmitteln und das Geräusch eines elektrischen Mobs … Infusionsflaschen … Schmerz und Verwirrung und die feuchte Hitze des Fiebers.
    Da waren Träume gewesen und das Delirium … Nebel und ein Riese von einem Mann mit brauner Haut und langem schwarzen Haar und einem brutalen Gesicht – ein großflächiges Gesicht mit hohen Backenknochen und einem breiten Kinn –; eine barbarenhafte Tätowierung auf der Stirn. Er hatte wahrgenommen, wie diese unheimliche nackte Gestalt ihn angebrüllt und bedroht hatte.
    Er hatte dieses Gesicht vergangene Nacht im Spiegel wiedergesehen.
    Unter dem feuchten Bettuch betastete er einen Arm mit der Hand des anderen. Dieser Körper war immer noch da. Wallie Smith hatte niemals solche Arme gehabt.
    Der ganze Spuk war also nicht verschwunden, obwohl er es so sehr gehofft hatte.
    Ein Vogel zwitscherte ganz in der Nähe einen einfältigen Refrain aus zwei Tönen, und etwas weiter entfernt hörte er Stimmen und das Krähen eines hoffnungsvollen Hahns.
    »Maultier-Pendelzug!« Das mußte vom Fuß des Hügels kommen. Dann ein sehr schwaches Signalhorn – und unterlegt war das Ganze vom dumpfen Rauschen des Wasserfalls in weiterer Ferne. Das Trappeln von Hufen hallte in dem kleinen Raum wider. »Maultier-Pendelzug!« Er fragte sich, ob Maultiere wohl so aussahen wie jenes abartige Pferd, das er gesehen hatte, mit einem Kamelgesicht und dem Körper eines Dachshundes.
    Es war noch alles da. Enzephalitis verursachte häufig eine seltsame geistige Verwirrung, hatte jemand gesagt. Er hatte gedacht, das Delirium sei überstanden, die merkwürdigen Visionen und der Schmerz und die Verwirrung. Jetzt war alles wirklicher geworden, noch erschreckender.
    Es machte absolut nicht mehr den Eindruck eines Deliriums.
    Er durfte nicht vergessen, daß es sich um eine Halluzination handelte. Man würde ihn heilen können, irgendwie, und ihn die wirkliche Welt zurückholen, die Welt der Krankenhausgeräusche und Krankenhausgerüche; weg von diesem Wahn des Gestanks und der Maultierhufe und der Hähne.
    Zögernd öffnete er erneut die Augen und richtete sich auf. Nur die Frau war verschwunden. Also, wenn sie wirklich gewesen wäre …
    Sie hatte sich sehr wirklich angefühlt, entzückend, wundervoll wirklich. Natürlich waren sexuelle Halluzinationen immer die lebhaftesten, nicht wahr? Das ergab einen Sinn. Alles andere ergab keinen. Was war das für ein ödipaler Humbug, dieses Phantasiebild von seinem supermännlichen Körper, den er sich da eingebildet hatte? Und welche verwerflichen Triebe mußten in seinem Unterbewußtsein schlummern, die sich dadurch verrieten, daß er sich in seinen Wahnvorstellungen Sklavinnen ausdachte? Ganz schöne Abgründe tun sich da auf, was, Wallieboy? Uff!
    Er stand auf und reckte sich. Er fühlte sich wohl, unwahrscheinlich wohl. Er schlenderte hinüber zum Spiegel und musterte das grausame Barbarengesicht mit der Tätowierung der sieben Schwerter. Stellte er sich in seiner Phantasie so vor, enthüllte das Delirium seine geheimsten Wünsche? Hielt er sich selbst für einen unscheinbaren Mickerling und träumte davon, ein großer, starker Märchenheld zu sein?
    Die Sache mit der Vorhaut störte ihn am allermeisten. Wenn er hineinkniff, tat sie weh. Wie konnte etwas weh tun, das ihm bereits als Baby weggeschnitten worden war? Es gab keine Spur einer Blinddarmoperationsnarbe, doch er hatte am rechten Knie ein rotes Muttermal und eine deutliche Narbe auf der rechten Schulter und ein paar schwache Schrammen in der Rippengegend, vor allem auf der rechten Seite. Er war also kein makelloses Musterexemplar, und das war irgendwie seltsam.
    Das Trappeln des Maultierzuges kam immer näher, und schließlich hielt er fast vor der Hütte an. Wieder hörte er den Ruf des Treibers.

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