Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
Vom Netzwerk:
Er ging zum Fenster und spähte hinaus, wobei er darauf achtete, daß er selbst nicht gesehen werden konnte. Zwei Männer gaben dem Treiber Geld und kletterten auf Maultiere, und ein halbes Dutzend Leute saßen bereits auf den anderen Tieren. Die Maultiere boten einen noch verrückteren Anblick als die Pferde – mit langen Ohren und Kamelgesichtern. Dann erinnerte er sich an die Ringe, die er am nächtlichen Himmel gesehen hatte. Diese Ringe waren es gewesen, die schließlich seine sorgsam bewahrte Selbstbeherrschung zum Einstürzen gebracht hatten. Es war nicht nur ein Phantasieland, das er sich in seinem Wahn geschaffen hatte, es war eine ganze Phantasiewelt, ein Planet mit Ringen.
    Und die Menschen überraschten ihn ein wenig – ziemlich kleinwüchsig, obwohl das daran liegen konnte, daß er selbst so überdurchschnittlich groß war. Sie waren alle von brauner Hautfarbe, ausnahmslos, und hatten hell- oder dunkelbraune Haare. Eine der Frauen, die auf einem Maultier saß, hatte einen rötlichen Schimmer im Haar; vielleicht war es gefärbt. Angenehm anzusehende, kräftig gebaute Leute, die meisten schlank und wendig, die offenbar gern lachten und schwatzten … mit leicht amerikanisch-indianischen bis kaukasischen Gesichtszügen. Sie hätten geradewegs aus einem Dokumentarfilm über den südamerikanischen Urwald herausgetreten sein können. Bartlos – er rieb sich übers Kinn und spürte nicht die Spur von Stoppeln, keine Haare auf der Brust oder an den Beinen.
    Es liefen noch weitere Menschen auf der Straße herum – Männer im Lendenschurz und Frauen mit schlichten Wickeltüchern, die auf der Höhe der Armkuhlen verknotet waren und bis zu den Knien reichten, wie Badetücher. Jjas war kürzer gewesen, aber schließlich war sie ja auch eine Hure. Der Maultiertreiber trug eine Reithose aus Leder. Der alte Mann hatte ein Gewand getragen, das seinen Körper vollständig, mit Ausnahme des Kopfes und der Hände, verhüllte. Dann sah er ein mittelaltes Paar auf den Maultierzug zugehen, und diese beiden trugen ebenfalls Gewänder, jedoch ärmellose; das Maß der Körperbedeckung richtete sich also offenbar nach dem Alter. Keine schlechte Idee: die gutaussehende Jugend zeigte man her, das Alter versteckte man. Einige Männer und Frauen seiner Welt hätten hier einiges lernen können.
    Wallie ermahnte sich streng, nicht zu vergessen, daß dies alles eine Illusion war.
    Doch er fühlte sich so wohl! Und er war neugierig! Er wollte diese Phantasiewelt erforschen … aber er hatte nichts anzuziehen. War das vielleicht sein warnendes Unterbewußtsein, das ihm empfahl, in seinem Krankenhauszimmer zu bleiben?
    Er hatte überhaupt nichts – er konnte nicht einmal mehr das Tuch finden, das er sich am Abend zuvor umgewickelt hatte. Nackt wie neugeboren! Er hatte niemals umfangreiche Besitztümer angehäuft, dafür verlief sein Leben viel zu unstet. Seine Kindheit war ein ständiges Hin- und Hergeschubstwerden zwischen seinen beiden Elternteilen, zwischen einer Tante und einem Onkel; dann das College, dann eine Reihe verschiedener Jobs. Wurzeln hatte er nie irgendwo geschlagen, und weltliche Güter niemals gesammelt. Doch nur noch ein Betttuch zu besitzen, um sich darin einzuwickeln …
    Illusion! Delirium!
    Der Maultierzug setzte sich wieder in Bewegung. Er beobachtete noch eine Weile die Fußgänger, dann wandte er sich ab. Ihm fiel ein, daß er eine Probe machen könne, und fühlte sorgfältig seinen Puls. Er ging langsam, natürlich, der Herzschlag eines Athleten, obwohl er keine Uhr hatte, um ihn zu messen. Er ließ sich auf die schmutzigen, stinkenden Fußbodensteine fallen und machte fünfzig schnelle Liegestützen. Kniend fühlte er seinen Puls noch einmal. Er schien kaum beschleunigt. Wallie Smith hätte höchstens zehn oder fünfzehn geschafft, niemals fünfzig, und sein Herz wäre danach wie wild gerast.
    Das bewies noch nicht allzuviel.
    Eine Fliege umkreiste ihn summend, und er schnappte nach ihr in der Luft, um zu sehen, ob er sie wirklich fangen könnte. Er konnte es, aber das bewies auch noch nichts.
    Ein kleiner Junge kam durch den Vorhang hereinspaziert und grinste ihn an. Er war nackt, nußbraun und mager. Er hatte lockiges braunes Haar und ein freches Gesicht; ein Schneidezahn fehlte. Er sah wie etwa acht oder neun Jahre alt aus, und er hatte einen belaubten grünen Zweig dabei.
    »Guten Morgen, Mr. Smith!« Sein Grinsen wurde noch breiter.
    Wallie fühlte sich etwas erleichtert – nichts mehr von diesem

Weitere Kostenlose Bücher