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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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»mein Lord« -Quatsch. Er blieb auf den Knien, denn so waren ihre Augen mehr oder weniger auf einer Höhe.
    »Guten Morgen. Wer bist du?«
    »Ich bin ein Kurier.«
    »Ach ja? Für mich siehst du eher wie ein nackter kleiner Junge aus. Wie müßtest du eigentlich aussehen?«
    Der Junge lachte. »Wie ein nackter kleiner Junge.« Er hievte sich auf einen der Stühle.
    »Ich hatte gehofft, du wärst ein Arzt.« Doch Wallie war sich bedrückt des Schmutzes, der Insekten und des Gestanks bewußt. Ein Krankenhaus?
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Ärzte mehr. Man nennt sie hier Heilkundige, und Sie tun gut daran, ihnen aus dem Weg zu gehen.«
    Wallie setzte sich und verschränkte die Beine. Der Steinboden machte sich kalt und rauh an seinem Hinterteil bemerkbar. »Nun, du hast mich ›Mister‹ genannt, vielleicht normalisieren sich die Dinge langsam wieder.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Gestern abend haben Sie die Sprache des Volkes gesprochen. Sie benutzten Shonsus Wortschatz, deshalb fielen Ihnen einige Begriffe nicht ein, mit denen Sie etwas ausdrücken wollten. Er war ein hervorragender Schwertkämpfer, aber nicht besonders gebildet.«
    Wallies Mut sank. »Wenn du wirklich ein nackter kleiner Junge wärst, dann wüßtest du all diese Dinge nicht und würdest auch nicht so reden.«
    Der Junge grinste wieder. Er ließ die Beine baumeln, stützte sich nach vorn auf die Hände und krümmte die zarten Schultern. »Ich habe nicht gesagt, daß es das ist, was ich bin. Ich sagte, daß ich so aussehen müßte. Ich muß Sie davon überzeugen, daß dies eine reale Welt ist und daß Sie zu einem bestimmten Zweck hierhergebracht worden sind.«
    Sein Grinsen war ansteckend. Wallie merkte, daß er es erwiderte. »Bis jetzt hast du deine Sache noch nicht besonders gut gemacht.«
    Der Junge zog frech eine Augenbraue hoch. »Hat die Frau Sie nicht überzeugt? Ich war der Meinung, daß sie sehr überzeugend wirkte.«
    Hatte er sie durch eine Ritze beobachtet? Wallie drängte seinen aufwallenden Ärger zurück. Dieser Junge war nichts als ein weiteres Trugbild, das ihm sein verwirrter Geist vorgaukelte, und deshalb wußte er natürlich, was in der letzten Nacht geschehen war. »Das war der unwirklichste Teil von dem Ganzen«, sagte er. »Jeder Mann hat so seinen Ehrgeiz, Freundchen, aber die Natur setzt gewisse Grenzen. Das war viel zu gut, um wirklich zu sein.«
    Der Junge seufzte. »Die Männer der Welt sind eben lüsterner als die Männer der Erde, Mr. Smith, so unwahrscheinlich das klingt. Walter Smith ist tot, Enzephalitis, Meningitis … das sind nur Namen. Es gibt kein Zurück, Mr. Smith.«
    Alle wollten ihn davon überzeugen, daß er tot war! Und wenn es so wäre? Wer würde sich etwas daraus machen? Niemand Bestimmtes, hatte er zu Jja gesagt, und das war ein bedrückender Gedanke. Er hatte keine Wurzeln, nirgends. Keine liebenden Hinterbliebenen außer einer Schwester, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Wenn er tatsächlich tot wäre, würde sich niemand darum scheren. Die Firma würde ebensogut ohne ihn weiterlaufen – er hatte ein gutes Team aufgebaut, das auch ohne Aufsicht bestens arbeitete. Harry würde in das Eckbüro umziehen, und dann würde alles weiterlaufen wie bisher.
    Neddy würde um ihn trauern. Aber Neddys Mutter hatte ihn bereits zu sich genommen und war zurück nach Osten gezogen. Es war bei einem Abschieds-Campingausflug mit Neddy passiert, daß Wallie von einer Enzephalitis übertragenden verdammten Zecke gestochen worden war … in einer Gegend, von der bis dahin nicht bekannt gewesen war, daß die dortigen Zecken Enzephalitis übertrugen. Neddy würde um ihn trauern, aber er würde es überleben. Wally mußte zugeben, daß bei Neddy gute Arbeit geleistet worden war. Der Junge war in einer entschieden besseren emotionalen Verfassung, um mit dem Verlust fertigzuwerden, als es noch vor drei Jahren der Fall gewesen wäre; damals wurde Wallie Ersatzvater für ihn. Neddy war schon für ihre Trennung gewappnet …
    Nein! Wenn er anfing, in diesen Bahnen zu denken, dann war er wirklich tot. Die Voraussetzung für eine Genesung war immer der Wille zu leben. Vergiß nicht, daß dies immer noch ein Delirium ist. So mußte es sein.
    Er blickte auf und sah, daß der Junge ihn mit einem belustigten Gesichtsausdruck beobachtete.
    »Ist dies hier der Himmel?« spottete Wallie. »Es riecht nicht so, wie ich erwartet hatte.«
    Ein Funkeln trat in die Augen des Jungen. Es waren

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