Der zögernde Schwertkämpfer
seine Zehen überzog, bis zu den Insekten, die ihm um den Kopf schwirrten. Und das Sonnenlicht glitzerte überaus realistisch in den Schwertgriffen auf den Rücken der Wachtposten.
»Es würde auf jeden Fall nichts machen«, sagte der Junge. »Sie würden Ihnen höchstens einen Gruß entbieten. Wenn Sie ihn nicht erwidern, müßten sie Sie zum Zweikampf herausfordern – aber das würden sie nicht wagen. Nicht bei einem Siebentstufler.«
»Vier an der Zahl würden das nicht wagen?«
»Die Frage ist, welcher als erster kämpft!« Der Junge grinste. »Los, weiter! Gehen wir!«
Wallie reihte sich am Ende einer Gruppe von acht Pilgern ein, sechs Männer und zwei Frauen – ein Fünftstufler, vier Viertstufler und drei Drittstufler. Sie schritten gemächlich über den Platz, während er die Wachen aus den Augenwinkeln aufmerksam beobachtete und jedes Prickeln einer bösen Ahnung verdrängte. Als sie am Torbogen ankamen, nahmen die Wachtposten die Pilger in Augenschein und ließen eine schlüpfrige Bemerkung über den Umstand fallen, daß eine der Frauen schwanger war; doch ihr Blick schien Wallie irgendwie zu umgehen, und er spazierte unbehelligt in die Tempelanlage.
»Du hattest recht, Kurzer«, sagte er. Dann sah er sich überrascht um. Der Junge war verschwunden. Er war allein.
Wallie schlenderte auf einer glatt gepflasterten Straße gemütlich hinter den Pilgern her. Er wunderte sich sehr über den Gegensatz zwischen dem Gewühle in der dreckigen Stadt und dem Frieden hier in einer Parklandschaft mit samtenen Rasenflächen und ordentlich angelegten Blumenbeeten unter schattenspendenden Bäumen.
Wie die Pferde, ähnelten die Pflanzen denen auf der Erde, aber irgend etwas an ihnen war auch wieder anders. Er war kein Botaniker und kam nicht darauf, worin die Abweichung genau bestand. Sträucher wie Bougainvillaea wuchsen in flammendem Orange und Purpur neben scharlachrotem Hibiskus. Palmen, hoch wie Säulen, reckten sich empor, um den indigofarbenen Himmel mit ihren Wedeln zu kitzeln. Gewaltig große Gebäude standen in der Ferne versteckt hinter Akazien und Eukalyptusbäumen; einige davon sahen wie Gesindehäuser aus, doch andere hatten prächtige Marmorfassaden. Hier lebten die hohen Herrn des Tempels, ergötzten sich an ihrer Macht direkt neben der Armut der Stadt und ließen sich von ihren Sklaven verwöhnen, denn er sah viele kleine braune Männer mit schwarzen Lendenschürzen, die irgendwelche Pflanzen mit den Wurzeln herausrissen, mit Sensen Gras mähten und Bündel schleppten. Ihm wurde schwindelig ob dieser Ungerechtigkeit, und er stellte fest, daß er immer größere Schwierigkeiten hatte, sich daran zu erinnern, daß all dieses ein Trugbild war, das ihm sein Unterbewußtsein vorgaukelte.
Zwei ältere Frauen in blauen Seidengewändern standen in ein Gespräch vertieft da und blickten erstaunt auf, als sie seiner ansichtig wurden. Er legte sich im Vorübergehen die Faust aufs Herz, doch das schien ihre Überraschung nur noch zu vergrößern. Mit ziemlicher Sicherheit waren sie Priesterinnen, und es war eindeutig, daß er für sie nicht unsichtbar war. Die Kunde würde sich also verbreiten, daß ein Schwertkämpfer der Siebten Stufe angekommen war. Macht es was? Voller Unbehagen benahm er sich so, als ob es etwas machte. Er beschleunigte seine Schritte und überholte die Pilger vor sich, wobei er hörte, wie sie warnende Rufe ausstießen, wenn er vorbeikam.
Die Straße vor ihm war frei; sie schlängelte sich weiter durch Bäume und um Häuser herum und über Rasenflächen. Die Querstraßen waren offenbar von untergeordneter Bedeutung, und dorthin hatten sich kleinere Trauben von Pilgern verzogen, um ihm den Weg zu räumen. Die Tempelanlage war größer als die Stadt, und das Tosen des Wasserfalls war hier lauter zu hören.
Dann machte die Straße eine Biegung, und er war am Ziel angekommen.
Vor ihm lag ein riesiger Platz wie die Startbahn eines Flugplatzes. Auf der rechten Seite war er gesäumt von einigen Bäumen und einem großen stehenden Teich, fast einem kleinen See. Auf der linken Seite stand ein Tempel. Er mußte den Kopf zurücklegen, um ihn zu betrachten, und er war atemberaubend. Eine hohe Treppe reichte über die ganze Breite der Front; sie endete oben in sieben gewaltigen Bögen, und darüber erhoben sich goldene Spitztürme. Er hatte den Eindruck, daß er größer war als jede Kirche oder Kathedrale auf der Erde; ein Komplex aus sieben nebeneinanderstehenden geschlossenen Hallen. Die
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