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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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darauf konnte er das Dach des Tempels sehen, ein unglaubliches Labyrinth von Kuppelgewölben. Es gab im Innern keine Stützsäulen, die ganze weitgespannte Decke trug sich selbst, was eine architektonische Unglaublichkeit war und viel dazu beitrug, sein Mißtrauen zu bestätigen. Als er sich der obersten Stufe näherte, erblickte er die Statue. Das war also sein Ziel! Er würde hingehen und mit dieser Göttin über ihre Welt plaudern und ein paar Verbesserungsvorschläge machen.
    Er bahnte sich einen Weg durch die Knäuel kniender Pilger. Zwei Schwertkämpfer in braunen Kilts sprangen bei seinem Anblick wachsam auf und zogen die Schwerter zum Gruß. Er beachtete sie nicht, sondern ging weiter durch den Bogen in das Mittelschiff und zielstrebig auf die Statue am anderen Ende zu, wobei er verblüfft war über die ungeheuerlichen Ausmaße dieses Ortes. Die riesigen Fenster aus buntem Glas strahlten in komplizierten Mustern aus Blumen und Pflanzen und Tieren und Vögeln und Fischen in funkelnden Rot- und Blau- und Grüntönen. Man nehme sämtliche große Kirchen und Tempel und Moscheen der Erde und mache eine einzige daraus …
    Müßig herumschlendernde Priester und Pilger erstarrten bei seinem Näherkommen entsetzt. Er schritt gelassen an ihnen vorbei. Die Kunde von seinem Erscheinen war ihm bestimmt längst vorausgegangen, und er würde ja sehen, wer ihn empfangen würde – der kleine alte Honakura oder die finstere Gestalt des Hardduju mit seinem üblen Leumund.
    Die Größe des Tempels wurde von der Größe der Statue dominiert. Doch es war keine Statue. Es war ein natürliches Felsgebilde, eine konische Säule aus irgendeinem bläulichen Gestein, amorpher Art, vermutete er, obwohl er von Geologie nicht mehr wußte als von Botanik. Die Figur einer sitzenden Frau in einem langen Gewand ließ sich erahnen, das ausdruckslose Gesicht dem Wasserfall zugewandt, doch hatte kein menschliches Werkzeug an der Form gearbeitet. Ihr fehlte jegliche Symmetrie. Die geopferten Gläubigen hatten ihr Leben also zu Ehren eines steinernen Findlings hingegeben! Fünf am Tag – sofern der heutige typisch war und das Ereignis täglich stattfand – mal siebenundzwanzigtausend Jahre … er hätte einen Taschenrechner gebraucht … wie viele Tage hatte das Jahr in dieser Welt?
    Er kam an den silbernen Sockel, der dieses Idol umgab, und blieb stehen. Betende auf Knien blickten empört zu ihm auf, und Priester runzelten mißbilligend die Stirn. Wellenlinien waren das Symbol für Priester.
    Das Idol war ein eindrucksvoller Felsbrocken, doch der Sockel war eine Schande. Rundherum an seinem Rand standen goldene Schalen mit Münzen darin – manche aus Gold oder Silber, die meisten jedoch aus Kupfer –, Opfergaben. Das konnte er noch verstehen und verzeihen, doch hinter den Schalen türmten sich andere Schätze: Pokale, Schmuck, Geschirr, Schnitzereien, Degen und sogar Schwerter, alle möglichen wertvolle Dinge, eine Pracht von glänzendem Metall und funkelnden Edelsteinen, Elfenbein und Leder, poliertem Holz und schimmernden Stoffen. Die, die weiter vom Rand entfernt lagen, zeigten Spuren der Alterung. Gleich hinter der vorderen Reihe hatten Kupfer und Bronze Grünspan angesetzt, weiter hinten waren Silber schwarz und Elfenbein gelb geworden, und direkt am Fuß des Idols waren Stoffe und Leder und Hölzer zerfallen, und selbst Gold und Kristall lagen stumpf unter einer dicken Staubschicht. Die Reichtümer aus Jahrhunderten häuften sich hier wie ein Berg Müll.
    Wallie starrte dieses Bild des Frevels fassungslos an. Alle Schätze der Pharaonen und der Schahs und der Rajahs und sonstiger gekrönter Häupter zusammen konnten nicht an diese hier heranreichen! Atahualpas Grabbeilagen waren Talmi dagegen … Zuerst diese Orgie letzte Nacht und jetzt dieser unermeßliche Reichtum! Wenn du schon Halluzinationen hast, dann im großen Stil!
    Und er dachte an das Elend in der Stadt, an den Hunger und das Leid, das mit einem geringen Teil dieser Schätze hier gelindert werden könnte …
    Er mußte in seiner Entrüstung eine Zeitlang so dagestanden haben. Als er sich umsah, fand er sich umringt – von seiner Umgebung abgeschnitten durch einen Halbkreis von Priestern und Priesterinnen, jungen und alten, im Rang der Dritten bis zur Siebten Stufe; schweigend, bedrohlich, gereizt. Weitere kamen hinzu, um den Ring zu verdichten, und er entdeckte in der ganzen Menge keinen freundlichen Blick. Was sollte er jetzt tun? Machte es was?
    Dann öffnete sich in der

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