Der zögernde Schwertkämpfer
Rolle gerecht würde.
Alle Schaulustigen hatten sich entfernt, mit Ausnahme von zwei stämmigen Sklaven, die die Szene mit unbewegten Gesichtern beobachtet hatten. Sklaven, die ja Besitz waren, gerieten niemals in persönliche Gefahr.
»Ich danke Euch, mein Lo … mein Gebieter.« Nnanji sah aus wie ein Mann, der aus dem Bett gehüpft war und feststellte, daß er bis zu den Knien zwischen Schlangen stand. Er ließ sein jämmerliches Schwert in die Scheide gleiten, blinzelte und straffte die Schultern. Offensichtlich versuchte er, seelisch mit etwas fertigzuwerden. Er hatte soeben den Mentor gewechselt, was an sich schon keine Kleinigkeit war, und dann war er auch noch zum Vasallen geworden – ein dramatisches Ereignis für einen Schwertkämpfer jeder Stufe. Der dritte Eid war sehr selten, er wurde nur vor einer Schlacht geleistet und wurde daher von einem Zweitstufler kaum verlangt. Von einem Eleven erwartete man nicht, daß er in Schlachten mitkämpfte. Vielleicht war dieser Eid sogar noch niemals innerhalb der Tempelanlage abgelegt worden.
Er sah Wallie voller Zweifel an. Aus einer langweiligen Alltagsroutine war er an den Rand des Todes gerissen – so mußte es ihm wenigstens erscheinen – und damit in ein wildes Abenteuer gestürzt worden. Und dieser überaus gefährliche Gegner war jetzt, wenn er hielt, was seine Gesichtszeichen versprachen, sein schreckenverbreitender Beschützer. »Mein Gebieter«, wiederholte er und ließ sich das ungewohnte Wort auf der Zunge zergehen.
Wallie ließ ihm einen Moment Zeit, um seine Fassung wiederzufinden, dann sagte er: »Gut! Also, Nnanji, es wird zu einem Duell kommen. Du wirst mein Sekundant sein. Unter keinen Umständen wirst du selbst die Waffe ziehen. Solltest du angegriffen werden, ergib dich. Ich entbinde dich von der Pflicht, mich zu rächen.« Es hätte keinen Sinn, wenn sie beide sterben würden, falls die Dinge nicht wie vorgesehen liefen. »Du kennst die Aufgaben eines Sekundanten?«
Nnanji strahlte begeistert auf. »Ja, mein Gebieter!«
Das war ein glücklicher Zufall – sie stammten nämlich aus einem Sutra, das nicht zu denen gehörte, die ein Zweitstufler unbedingt kennen mußte.
»Du wirst dich weder einmischen noch auf Einmischungen reagieren.«
Nnanji riß bei dieser Anweisung die Augen weit auf, doch wieder sagte er ja.
Wallie nickte zufrieden. »So, wo ist der Oberste Anführer der Wache?«
»Mein Gebieter, ich nehme an, er ist im Tempel. Er hat die Stunde des Gerichts verfolgt.«
Natürlich! Was sonst … Wallie ließ den Blick über den vor Hitze flimmernden Platz bis zu der großen Treppe schweifen. Oben hatte sich eine dichte Menge von Neugierigen aller Schattierungen versammelt, die sich das unerwartete Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Irgendwo dort drin mußte Hardduju angestrengt nachdenken.
Er verharrte, um sich den Plan für seine Herausforderung zurechtzulegen.
»Was glaubst du, in welcher Gesellschaft er sich wohl befindet, mein guter Eleve?«
Nnanji rümpfte die Stupsnase. »Ich habe ihn vorhin noch gesehen, mein Gebieter, mit dem Ehrenwerten Tarru und zwei Fünftstuflern.«
»Begib dich jetzt zu ihm«, sagte Wallie. »Entbiete ihm keinen Gruß! Dann sage: ›Lord Shonsu schickt mich mit dieser Botschaft.‹ Halte den rechten Arm mit geballter Faust an deine Seite, stelle den rechten Fuß vor, und lege die linke Hand flach auf deine Brust. Mach es mir mal vor!«
Nnanji tat, wie ihm geheißen, mit konzentriertem, angespanntem Gesicht. Das Weglassen des Grußes war die Beleidigung, das war klar, doch das andere war das Zeichen der Herausforderung eines Fünftstuflers. Nnanji ahnte vielleicht, was damit gemeint war, doch er brauchte seine Bedeutung nicht zu kennen und auch nicht zu wissen, welcher Rang damit angesprochen wurde.
Wallie nickte. »Das ist alles. Vergiß nicht – kein Gruß. Wenn du ihn allein antriffst, dann hole erst noch einen hochrangigen Zeugen hinzu. Und beantworte keine Frage. Er soll dir sagen, ob er kommt, das ist alles.«
Nnanji nickte feierlich, seine Lippen bewegten sich lautlos. Dann setzte er völlig unerwartet ein breites, jugendliches Grinsen auf – er hatte begriffen.
»Also, dann los mit dir!« Wallie lächelte ihm aufmunternd zu.
»Ja, mein L … sofort, mein Gebieter.« Nnanji sauste über den Kies davon, wobei seine langen Beine wie Dreschflegel ausschlugen.
Wallie blickte ihm einen Moment lang nach. Es wäre schade, aber nur allzu verständlich, wenn der Junge einfach
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